„Ich finde, der Kunde ist mit den neuen Regelungen überfordert“, Interview mit Oliver Kamenisch

Oliver Kamenisch, Geschäftsführer der Sparkassen-Immobilien Gesellschaft aus Freiburg, über die Lage am Immobilienmarkt und die Perspektiven.

Bild: Susanna Hiss

Herr Kamenisch, wie hat sich der Immobilienmarkt seit Frühjahr 2022 entwickelt? Es hat sich wohl einiges getan in den letzten fast eineinhalb Jahren, oder?

Oliver Kamenisch: Ich habe aktuell für unser Team einige Auswertungen vorgenommen. Und siehe da: Die Vermarktungsdauer ist seit Frühjahr 2022 spürbar nach oben gegangen. Wir liegen im Moment bei der Vermarktung durchschnittlich bei elf bis zwölf Wochen. Während in den letzten Jahren zuvor die Vermarktungsdauer immer kürzer wurde, hat sich das seit Frühjahr 2022 ins Gegenteil verkehrt. Wir hatten damals oft keine zehn Objekte auf der Homepage, weil wir öfters ein Objekt praktisch über das Wochenende schon wieder runter nahmen – so groß war die Nachfrage. Aktuell sind es so um die 60 Objekte, die wir auf der Homepage anbieten. Der Immobilienmarkt hat sich nach unseren Beobachtungen in 2022 um 180° Grad gedreht. Anfang 2022 konnte man noch von einem Verkäufermarkt sprechen, das heißt, der Verkäufer hat den Markt bestimmt, da wenig Immobilienangebote einer hohen Nachfrage gegenüberstand. Der Grund der hohen Nachfrage war der hohe Bedarf nach Wohnraum, aber vor allem auch die äußerst geringen Zinsen. Das hat sich inzwischen bekanntlich stark verändert. Aber nicht nur das Zinsniveau ist für die Veränderungen verantwortlich. Wir schätzen, dass die Nachfrage bei Kaufimmobilien um gefühlte 70 bis 80 Prozent zurückgegangen ist. 

Was sind denn die hauptsächlichen Gründe für diese Entwicklung?

Oliver Kamenisch: Die Zinsen spielen da natürlich eine große Rolle. Aber auch die allgemeine Inflation. Denn es ist ja so, dass nicht nur die Finanzierung teurer geworden ist, sondern eben auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Da ist natürlich nicht mehr so viel Luft übrig. Wir haben kürzlich mal eine Analyse gemacht und geschaut, welche Immobilien wie stark von einem Rückgang des Kaufinteresses betroffen sind. Wir haben da dann unterschieden zwischen Immobilien bis 1990 und solchen, die nach 1990 gebaut wurden. Dabei habe ich gesehen, dass bei Immobilien bis Baujahr 1990 und älter eine deutlich Preisreduzierung stattfand, ungefähr so um 15 Prozent. Bei neueren Immobilien war das nicht so.

Die Nachfrage nach älteren Immobilien, gerade auch Altbauten, von denen es ja in Freiburg viele gibt, ist also rückläufig. Wird es auch insgesamt immer schwieriger Käufer zu finden?

Oliver Kamenisch: Ich möchte mal so sagen: Die Käufer werden für uns ja immer wichtiger, wenn es weniger Interessenten gibt. Aber wenn ich das Objekt habe, das ich verkaufen kann, ist es am Ende immer auch eine Frage des Preises. Stellen Sie sich vor, ich würde das Objekt für einen Euro anbieten – was denken Sie, wieviele Anfragen ich dann hätte? Interessenten gibt es immer genügend. Die sind ja nicht weg. Aber viele können sich die Preise einfach nicht mehr leisten. Man muss also Verkäufer und Käufer zusammen bringen. Das ist oft schwierig,  da Verkäufer oft Preisvorstellungen haben, die sich in der aktuellen Marktlage nicht mehr realisieren lassen. Es ist ein normaler ökonomischer Prozess: Weniger Nachfrage bedeutet auch weniger Druck auf die Angebote mit der Folge, dass die Preise nicht mehr so stark ansteigen wie noch in den letzten 10 bis15 Jahren oder wie erwähnt sogar teilweise sinken. 

Gleichzeitig habe ich aber auch gemerkt, dass Eigentumswohnungen ab Baujahr 1990 – wir haben ja im Moment ganz extrem die energetische Diskussion – gar nicht vom Preisrückgang betroffen sind.

Können sie näher ausführen, was Sie mit „energetische Diskussion“ meinen?

Oliver Kamenisch: Ich meine die ganz große Verunsicherung in Zusammenhang mit dem neuen Energiegesetz und den Programmen, die nicht greifen. Ich finde, der Kunde ist mit den vielen Regelungen brutal verunsichert worden. Ob das jetzt Verkäufer sind, die nicht wissen, was sie vor dem Verkauf noch machen müssen, oder ob es Käufer sind, die denken: „O je Altbau, da weiß ich ja gar nicht was da noch auf mich zukommt.“ Und auch dieser ganze Dschungel aus Förderprogrammen, da blickt kaum noch ein Kunde durch. Wir hatten gerade heute eine ganze Schar von Energieberatern im Haus. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, für mich war das fast zu hoch.

Sie blicken beim neuen Energiegesetz selbst nicht mehr durch?

Oliver Kamenisch: In der Tat ist es nicht ganz leicht, im Dschungel der vielen Fördermöglichkeiten und Richtlinien den Überblick zu  bewahren. Deshalb arbeiten wir auch mit professionellen Energie-und Finanzberatern zusammen, die die entsprechenden Förderprogramme kennen. Es ist aber wahnsinnig kompliziert, was es da alles gibt. Da wundert es mich nicht, wenn ein Verkäufer und ein Käufer bald nicht mehr wissen, was sie machen müssen. Deshalb ist oft die Schlussfolgerung: Altbau kaufe ich nicht mehr, weil ich nicht weiß, was da auf mich zukommt. Ich kaufe lieber etwas Neueres. Nach unserer Auswertung gingen die Preise für Immobilien nach 1990 zwar auch vorübergehend etwas nach unten, sind aber inzwischen wieder auf dem Niveau vom Frühling 2022. Daher spielt für mich die Frage der Zinsen gar nicht mehr eine so große Rolle. Es geht mehr um die Sicherheit bezüglich energetischer Sanierung. Und bei Objekten nach 1990 ist es meist so, dass die schon in Ordnung sind.

Welche Hilfestellung kann eigentlich die Politik in dieser Lage leisten?

Oliver Kamenisch: Man müsste vor allem durch Abschreibungen die Immobilien für Kapitalanleger wieder interessanter machen. Nachdem die Zinsen gestiegen sind, haben gerade die Kapitalanleger deutlich attraktivere Alternativen gehabt, über Festgeld und andere Anlagen. Daher wurde die Immobilie für Kapitalanleger uninteressant. In einem Maß wie die Zinsen gestiegen sind, kann man als Kapitalanleger bei Immobilien ja nicht die Miete erhöhen. Da ist es ganz gut, wenn die Politik wieder gegensteuert. 

Sind die angestiegenen Zinsen nicht auch für andere Interessenten – sagen wir junge Familie mit Sehnsucht nach einem Eigenheim – ein kaum zu bewältigendes Problem? Was machen die denn dann?

Oliver Kamenisch: Wer sich aufgrund der Zinsen die Finanzierung einer eigenen Immobilie nicht mehr leisten kann, der drängt natürlich in den Mietmarkt. Dort war der Markt in Freiburg eh schon eng. Jetzt wird er noch enger, weil ursprüngliche Kaufinteressenten jetzt auch in den Mietmarkt drängen.  Wenn eine Immobilie nicht mehr finanziert werden kann, da die monatliche Belastung zu hoch wird, dann wechseln die Kaufinteressenten eben in Richtung Mietmarkt, mit der Folge, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen wohl immer weiterhin zunehmen wird!

Aber da gibt es doch so gut wie nichts in Freiburg, oder?

Oliver Kamenisch: Ja, es gab ja schon vorher nichts und jetzt drängen immer mehr Interessenten mit mittlerem Einkommen in den Mietmarkt. Das könnte sogar auch zu politischen und sozialen Verwerfungen führen, in jedem Fall zu Spannungen.

Was kann und sollte die Politik tun, um genau das zu vermeiden?

Oliver Kamenisch: Ja, was ich immer wieder höre, ist dass viel zu wenig Förderung für den Wohnungsbau stattfindet. Für den sozialen Wohnungsbau wurde ebenfalls viel zu wenig gemacht. Meiner Meinung nach hat man da eine Super-Chance verpasst, als man über Jahre eine Niedrigzinsphase hatte. Da hätte der Staat wunderbar Geld aufnehmen können, ohne dass man hätte Zinsen zahlen müssen. Doch diese Chance ist jetzt vorbei. Im Moment ist ein staatliches Finanzierungsprogramm schwerer zu bewerkstelligen als noch vor ein paar Jahren. 

Diese Chance ist jetzt auch vertan, da mittlerweile nicht nur die Zinsen gestiegen sind, sondern durch die Inflation und andere Umstände ja auch die Kosten für die Baubranche gestiegen sind?

Oliver Kamenisch: Ja, das stimmt. Die Baukosten sind hoch. Und da kann der Staat eigentlich auch nicht viel machen. Die Kosten für das Material sind oben, hinzu kommt auch der Fachkräftemangel.

Bild: Susanna Hiss

Wenn Sie mit ihrer langjährigen Erfahrung einen aktuellen Blick auf Freiburg werfen – ist es dann nicht so, dass eine Entwicklung stattfindet, dass ganz normale Freiburger es sich gar nicht mehr leisten können, in der Stadt zu wohnen, in der sie beispielsweise täglich zur Arbeit gehen?

Oliver Kamenisch: Ja, wenn immer mehr Nachfrage am Markt ist und dadurch zum Beispiel eine Mieterhöhung kommt, dann ist das für viele Menschen absolut nicht mehr darstellbar. Klar gibt es dann vielleicht die Idee, eher ins Umland zu ziehen, trotz des Mehraufwandes, um beispielsweise zur Arbeit oder für Besorgungen in die Stadt zu fahren. Aktuell haben wir den Eindruck, dass Preise im Umland stärker nachlassen als im Stadtgebiet. Ich glaube auch, dass die Stadt Freiburg nur wenige Instrumente hat, um dieser Entwicklung zu begegnen. Denn in Freiburg haben wir einfach das Problem, dass wir Platzmangel haben.

Hilft da jetzt nicht die Bebauung des Dietenbach-Geländes?

Oliver Kamenisch: Ja, Dietenbach bietet jetzt diesen Platz …

… aber die Bebauung vom Dietenbachgelände unter den jetzigen Rahmenbedingungen? Geht das überhaupt? Welche Möglichkeiten wird es dort geben, welche Marktpreise werden da aufgerufen?

Oliver Kamenisch: Ja, über Verkaufspreise kann ich im Moment noch gar nichts sagen, weil ich nicht weiß, wie die Bauträger da eines Tages kalkulieren. Das zieht sich alles hin. Vielleicht hätte man als Landesregierung und Bundesregierung die Genehmigungsverfahren abkürzen können, damit die Bebauung schneller möglich gewesen wäre. Das wird aber mit Sicherheit noch ein paar Jahre dauern, bis dort die erste Wohnung bezugsfertig wird. Aber natürlich ist es so, dass dann dadurch, dass da neue Wohnungen entstehen es insgesamt eine Entspannung am Markt geben wird. Es gibt dann Nachrückereffekte, etwa wenn die Immobilien vermarktet werden können, die von denen verlassen wurden, die in den Neubau im Dietenbach ziehen. Ich erhoffe mir insgesamt davon schon, dass es im Immobilienmarkt auch wieder moderatere Preise geben wird.

Also Dietenbach ist wichtig für Freiburg?

Oliver Kamenisch: Ja, das auf jeden Fall. Aber es ist ja so: Die ursprüngliche Planung, dass 2024 oder 2025 dort Wohnungen bezogen werden können – da sind wir wohl vier, fünf Jahre hinten dran. Es geht alles ewig. Hier noch ein Gutachten, dort noch ein Gutachten. Also: Kein Vorwurf an niemanden. Es ist halt viel Bürokratie. 

Wie wirkt sich denn nun das neue Energiegesetz und auch eine eventuell noch bevorstehende EU-Gebäudeenergierichtlinie auf solche Projekte  wie Dietenbach aus?

Oliver Kamenisch: Wenn ich aktuell mit den Energieberatern spreche, ist es wohl so, dass es die ersten Förderprogramme gibt, nachdem das neue deutsche Energiegesetz durch ist.. Nun ist es aber andererseits so, dass in Brüssel wieder die ersten Verschärfungen in der Schublade liegen. Ich weiß nicht, was da noch kommt. Es ist gerade alles im Wandel. Das verunsichert die Leute natürlich.

Sie bieten ja zu diesem komplexen Thema am 7. Dezember ein Webinar der Sparkasse-Immobilien an. Für wen ist das interessant? 

Oliver Kamenisch: Dieses Webinar richtet sich an Immobilieneigentümer, mögliche Immobilienverkäufer sowie Kaufinteressenten. Unser Gastreferent und Energieberater Christian Dittrich von u-sieben GmbH – Planungsbüro für energetische Gebäudemodernisierung – informiert dabei über das neue Heizungsgesetz, energetische Sanierung sowie über mögliche Fördermöglichkeiten.

Mal ein kleiner Sprung zu den Gewerbeimmobilien in Freiburg. Da gibt es in der Innenstadt doch viel Leerstand. Wie schätzen Sie das ein? 

Oliver Kamenisch: Wir als Immo-GmbH haben fast nur Wohnimmobilien im Angebot. Aber klar, ich habe gesehen, dass „Hallhuber“ jetzt leer steht, „Kaiser“ ja schon seit länger als einem Jahr. Es ist unglaublich wie viele Ladengeschäfte nicht nur in Freiburg sondern auch in Städten wie München inzwischen leer stehen. Das hat natürlich mit dem boomenden Internethandel zu tun, der sich während der Corona-Pandemie noch weiter etabliert hat. Bei Büroflächen ist es etwas weniger dramatisch. Denn bei den großen Gebäuden wie Kaiser oder Breuninger – was soll man mit solchen Gebäuden machen? Wenn man heute in der Innenstadt neu bauen würde, dann ginge alles in Richtung „Erlebniscenter“. Kann ein Konzept-Store sein, eine Kletterhalle, womöglich eine Tanzlokation wie in der Markthalle. Aber es ist eben eine Herausforderung mit den bestehenden Gebäuden. Die sind damals nach ganz anderen Kriterien gebaut worden. Es könnte sein, dass man heute dies gar nicht mehr so bauen würde.

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