Überraschungsdate mit Sterne-Köchen

Yannik Spielmann, Nicolai Heuer und Sonja Wagner sind Hawara – ein ungewöhnliches Gastro-Konzept mit versteckten Locations.

Nicolia Heuer, Sonja Wagner und Yannik Spielmann (v.l. – die Drei von Hawara
Nicolia Heuer, Sonja Wagner und Yannik Spielmann (v.l. – die Drei von Hawara

Während im Hintergrund eifrig mit Geschirr geklappert wird, als würden fünf Spülmaschinen auf einmal geleert, erklärt Yannik Spielmann gut gelaunt das Prinzip von Hawara. Das ungewöhnliche Gastronomie-Konzept ist ein Pop-Up-Restaurant ohne festen Standort, das davon lebt, dass von Mund zu Mund, über den Newsletter oder über Instagram die Nachricht vom nächsten Kochevent weiter verbreitet wird.

Bei den sogenannten versteckten Locations wird gerade mal 24 Stunden bevor das Menü startet, der Ort bekannt gegeben. Zuvor muss man einen Tisch reserviert haben, nur wohin es gehen wird, das wissen die Gäste nicht, auch was es zu essen gibt. Sich den Abend freihalten und dann überraschen lassen – das ist das Motto. Und so landet man dann beispielsweise für ein Dinner-Event im Industriegebiet Nord in einer Werkstatt und tafelt neben einer Kreissäge oder man findet sich in einer leer geräumten 180 Quadratmeter-Altbauwohnung in der Wiehre wieder, wo unter vier Meter hohen Decken für kurze Zeit ein Restaurant für maximal 30 Personen entsteht.

„Es ist eine Dramaturgie, die wir entwickeln, welche die aktuelle Mikrosaison widerspiegelt“, erläutert Yannik Spielmann lässig. Okay, Dramaturgie kann man bei den ungewöhnlichen Orten nachvollziehen, aber was bitte ist mit Mikrosaison gemeint? Yannik Spielmann erklärt, dass er und sein Kompagnon Nicolai Heuer jeden Tag auf dem Markt saisonal und regional frisch einkaufen und darüber hinaus bestrebt sind, den Verwertungsprozess als Kreislauf zu sehen und zu nutzen. „Wir verarbeiten nur ganze Tiere, schauen uns diese vorher beim Landwirt an und lassen sie biozertifiziert schlachten. Wir verarbeiten keinen Salzwasserfisch, sondern nur Fisch aus dem Rhein oder aus heimischen Seen.“ Und was haltbar gemacht werden kann, verfrachten die beiden Köche eigenhändig in Gläser, „so versuchen wir die Jahreszeiten einzufangen“. Sie fermentieren also was das Zeug hält und stellen außerdem Sojasaucen sowie japanische Misos selbst her.

„Wir wollen ganzheitlich arbeiten“, so Yannik Spielmann und erläutert das an einem Beispiel: Wenn es im Hauptgang ein Gericht mit Kartoffeln gibt, dann verarbeiten sie in der Vorspeise auch die Schale der Kartoffel oder stellen eine Paste daraus her.

Inzwischen klingt das Geklapper im Hintergrund besorgniserregend  und eher nach Polterabend – aber Yannik Spielmann beruhigt. Sie räumen nur gerade ihre Gastroküche um, denn nach einem mehrwöchigen Gastauftritt in der Schwimmbadstraße werden sie nun in Kürze ihre Kochkünste vorübergehend ins „Lollo“ verlegen und dort Anfang Juni die Gäste mit feinen Menüs beglücken. Für ihren „Wanderzirkus“ haben sie einen Grundstock an mobilen Geräten, alles was Kochkünstler so brauchen, von zwei Gastro-Spülmaschinen über portable Induktionsplatten und spezielle Öfen bis hin zu einem Belüftungssystem. Aus dem Kochduo ist inzwischen ein Hawara-Trio geworden. Hawara ist bayerisch für Spezi oder Kumpel, und die ausgebildete Weinspezialistin Sonja Wagner, die von einem Weingut in Oberrotweil stammt, bereichert nicht nur tatkräftig diese Freundesgruppe, sondern auch die mehrgängigen Menüs mit ausgesuchten Tropfen. 

Der 27-jährige Yannik Spielmann kam über Schülerjobs in die Gastronomie, was ihm viel Spaß machte: „Da war immer so eine Energie“. Seine Koch-Ausbildung absolvierte er bei Steffen Disch im „Raben“ in Horben, von dort ging es nach Südafrika zu einem deutschen Sternekoch, danach zurück zu Fritz Keller nach Oberbergen, dann weiter nach Wien, bevor er wieder zurück nach Freiburg kam. Nicolai Heuer und er kennen sich schon seit Kindheitstagen, beide sind im Vauban als Nachbarskinder aufgewachsen, zusammen haben sie ihre Kochlehre absolviert. Auch bei dem 28-jährigen Nicolai Heuer folgten nach der Ausbildung internationale Stationen bei renommierten Restaurants, so in Wien und Stockholm.

Schon früh reifte bei beiden der Gedanke, sich irgendwann selbstständig zu machen, die Sache aber etwas anders aufzuziehen, mit einem eigenen Konzept. „Wir wollten die Gastronomie attraktiver gestalten, ebenso das Arbeitsumfeld, die Bezahlung und die Arbeitszeiten“, so Yannik Spielmann. „In der Gastronomie findet heute noch, wie auf dem Bau, modernes Sklaventum statt“, beschreibt er lachend unumwunden die Situation. „Wir gehen da mit anderen Werten dran.“ So kochen sie nun immer für einige Wochen in einer ungewöhnlichen Location oder auch in einem Restaurant, das eigentlich gerade Betriebsferien macht, und haben dann wieder ein oder zwei Monate Pause, bevor es von vorne losgeht. Die Pausen sind ihnen wichtig, um wieder herunterzufahren, nachdem sie „160 Prozent“ gearbeitet haben, aber auch um Zeit für ihre eigenen Saucen und Eingemachtes zu haben. 

Inzwischen können sie sich aber auch ein festes, eigenes Restaurant vorstellen und sind entspannt auf der Suche nach schönen Räumen. Am liebsten möchten sie dann die Küche als Zentrum des Restaurants gestalten, damit die Gäste sehen können, wie gekocht wird und wie sauber es zugeht.

Hawara im „Lollo”
07.-11. Juni & 14.–18. Juni 2022

Reservierungen:
info@hawara-restaurant.de
www.hawara-restaurant.de