Klappe zu, Kamera läuft

Zwischendurch kam es zu einer primitiven verbalen Keilerei zwischen SPD und Grünen, die tief blicken lässt. Der filmreife Stil von Robert Habeck wird offenbar in der Ampel beneidet.

Kamera läuft!

Die Keilerei, die zwischendurch von SPD und Grünen vom Zaun gebrochen wurde,  war rustikal. Quasi: Schlägerei in der Kneipe nebenan, zwar nur verbal, aber doch primitiv. Rätselhaft ist, warum das überhaupt passiert ist. Eigentlich kann man der Ampel-Regierung ja gar nicht viel vorwerfen. Die Maßnahmen, die sie ergriffen hat und noch ergreifen will, nachdem Putins Krieg eine Energiekrise auslöste, gingen ja alle in die richtige Richtung. Konstruktive Kritik an manchen Details ist zwar berechtigt, aber diese hat dann ja auch dazu geführt, dass Korrekturen  vorgenommen werden, etwa von Robert Habeck bei dem Konzept der „Gasumlage.“ Die Ampel hat diese Krise nicht verschuldet. Das waren maßgeblich die Vorgängerregierungen unter Führung von Angela Merkel und der Union. Natürlich wächst der Druck für jede Regierung, wenn Inflation, Energieknappheit und sogar Krieg drohen. Dass dies aber dann zu einer Keilerei zwischen den Regierungsparteien führte, war doof, eitel und überflüssig. 

  
Die SPD hat angefangen. Fast könnte man da den Verdacht hegen, dass es quasi in der DNA der Partei liegt, unter Druck völlig unüberlegte interne Streitereien anzuzetteln, und zwar öffentlich. Das war fast vergessen, seit Olaf Scholz die SPD zur Kanzlerpartei gemacht hat. Eine gute Weile versammelten sich seine Leute hinter ihm, der eben gerade nicht dazu neigt, in schwierigen Momenten ein Selbstzerfleischung zu üben. Umso verblüffender war dann also, dass SPD-Chef Lars Klingbeil (durchaus ein engerer Vertrauter von Scholz) ziemlich unvermittelt Robert Habeck in der „Zeit“ „handwerkliche ­Fehler“ vorwarf und vor allem, mit welcher Formulierung er das tat: „Am Ende zählen in der Politik nicht nur schöne Worte­, es muss vor allem die Substanz stimmen.“ 

Es lugt Neid und Missgunst der SPD hervor 

Es war zum Zeitpunkt dieser Äußerungen ja gar keine Frage, dass Habeck (und seinem Wirtschaftsministerium) bei der eiligen Konstruktion der Gasumlage einige Fehler unterlaufen waren. Doch das hatte Robert Habeck schnell selbst eingeräumt, der zudem ja nun wirklich nicht unter Verdacht steht, dass er Konzerne unterstützt, die durch die Krise profitiert haben. Habeck hat ja im Gegenteil schon früh seine Meinung kund getan, dass er persönlich für eine „Übergewinnsteuer“ wäre (siehe unten). Wenn der Fehler bei der Gasumlage nun also darin bestand, dass auch Energiekonzerne davon etwas abbekommen könnten, die sowieso schon satte Gewinne machen, dann war das mit Sicherheit nicht von Habeck beabsichtigt. Denn Grüne und SPD verfolgen da ja eigentlich dieselben Ziele. Wozu also die Häme Lars Klingbeils? Wieso seine Formulierung, dass „schöne Worte“ nicht zählen?

Die Antwort wurde deutlicher, als sich kurz darauf Dirk Wiese, Vize der SPD-Bundestagsfraktion, in der BILD am SONNTAG zu Wort meldete: „Das Prinzip Habeck geht so: ­Auftritte filmreif, handwerk­liche Umsetzung bedenklich und am Ende zahlt der Bürger drauf.“

Wumms! Da geht es offensichtlich nicht mehr um konstruktive Kritik an der Gasumlage, sondern da lugt der Neid und sogar Missgunst der SPD hervor. Die beiden SPD-Wortführer mögen es offenbar nicht, dass Robert Habeck mit seinen Auftritten, inklusive schöner Worte, in der Öffentlichkeit sogar dann gut ankommt, wenn er Fehler eingesteht. Er hat später übrigens eben diese Gabe erneut bewiesen, als er bei der Korrektur der Gasumlage davon sprach, dass er „Trittbettfahrer vom Trittbrett schubsen“ wolle. So etwas sagt nur der Robert Habeck, filmreif wie einst Robert Redfort.  

Was aber sollte die Neidkritik von Klingbeil und Wiese? Beide mussten doch wissen, dass die im ersten Entwurf missglückte Gasumlage auch von SPD-Kanzler Olaf Scholz (übrigens auch von FDP-Finanzminister Christian Lindner) abgenickt worden war. Und man sollte meinen, dass es führenden Köpfen in den Parteien einer Regierungskoalition auch möglich sein müsste, ihre möglicherweise divergierenden Ansichten direkt mit einander zu besprechen, anstatt über die Medien und somit über die Öffentlichkeit zu gehen. Wenn Klingbeil und Wiese ihre ätzende und hämische Kritik an Habeck öffentlich platzierten, dann kann das also nur Absicht gewesen sein. Sprich: Es geht dabei gar nicht um sachliche Kritik, sondern uns Punktesammeln in der Öffentlichkeit. Dabei hätte doch gerade die SPD in den letzten Jahren lernen können, dass solch ein Gezeter immer nach hinten losgeht. Ein hämischer Angriff auf Habeck ist ja auch  ein Angriff auf das Konstrukt der Ampel. Und somit ein Angriff auf die eigene Macht.

Noch schlimmer: Der grüne Gegenangriff

Konstantin von Notz, Vize der Grünen-Bundestagsfraktion, schoss auf Twitter in Richtung der Genossen zurück: „Die schlechte Performance des Bundeskanzlers, seine miesen Umfragewerte,  Erinnerungslücken bei #Warburg und seine Verantwortung bei #Northstream2 werden durch unloyales Verhalten und  Missgunst in der Koa nicht geheilt werden“, postete von Notz.

Da zieht einer blank, mit selbstverliebter Wucht und ohne Gespür für das Befinden in der Bevölkerung. Wenn es nämlich einer Sache in der Krise ganz sicher nicht bedarf, dann dem Zurschaustellen von Eitelkeiten und Machtansprüchen. Der Grünen-Politiker von Notz meinte, er müsse die Galionsfigur Robert Habeck retten, indem er den SPD-Kanzler angreift, weil er nämlich unterstellte, dass die SPD-Leute nur den Habeck angegriffen hätten, um den SPD-Kanzler zu schützen. Der blinde Fleck bei diesem Getue: Deutschland und seine Bürger haben derzeit andere Probleme als die internen Befindlichkeiten von zwei der drei regierenden Parteien zu begutachten.

Die wahren Konflikte zwischen FDP und Grünen 

Auch FDP-Chef Christian Lindner hat sich an der Ampel-Kritik beteiligt: „Wir regieren als Partei der Mitte mit zwei linken Parteien“, sagte er. Es sei für die FDP eine große Herausforderung, dass die beiden anderen Parteien immer wieder forderten, den Koalitionsvertrag neu zu verhandeln und „die Linie der Politik weiter nach links zu verschieben.“

Lindner erweckte so den Eindruck, als könne allein seine FDP einen Linksruck in Deutschland verhindern. Damit wollte er wohl in der Mitte der Gesellschaft um mehr Wähler-Zustimmung buhlen, angesichts fallender Umfragewerte der FDP. Lindner wirft dabei schon einen neidischen Blick auf die Grünen und Robert Habeck, die ja als einzige in der Ampelregierung ihre Zustimmungswerte stark verbessern konnten. 

Grundsätzlich ist es ja auch so, dass FDP und Grüne in ähnlichen Milieus (eher jüngere Wähler in urbanen Zentren) fischen, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Konzepten. Habeck forderte in der Krise immer wieder einen sozialen Ausgleich, während Lindner eine Umverteilung namens „Übergewinnsteuer“ für Teufelszeug hält. Und das mit dem Klimaschutz, also die Herzensangelegenheit der Grünen, findet der FDP-Chef nicht wirklich wichtig. Auch die von Lindner geforderte Laufzeitverlängerung der drei verbleibenden AKW bis 2024 stehen für den Konflikt zwischen grün und gelb. 

Man darf wohl sagen, dass innerhalb der Ampel-Koaltion die wahren Konflikte zwischen FDP und Grünen herrschen, wobei sich die SPD mal wieder wie das fünfte Rad am Wagen vorkommt. 

Eine „Regierung der Tat“ sagt Scholz, die „wirkt.“

Nach der Keilerei kam es dann zur Klausur des Kabinetts auf Schloss Meseberg. Dort fing Olaf Scholz die offensichtlich ins Absurde abgedrifteten verbalen Keilereien, die wie gesagt von SPD-Chef Klingbeil angezettelt worden waren,  recht gekonnt wieder ein. „Als Regierung der Tat wollen wir weiter wirksam sein“, sagte Scholz im Vorgriff auf das eine Woche später präsentierte dritte Entlastungspaket im Wert von weiteren 65 Milliarden Euro. 

Nun ja, das entbehrt nicht einem gewissen Wortwitz. Statt vieler unnötiger Worte, so könnte man da den Kanzler verstehen, wolle er der sein, der Taten sprechen lässt. Aber natürlich ist das Wort von der „Regierung der Tat“ auch wiederum nur Kommunikation, frei nach dem Motto: „Ich muss nicht soviel quatschen, weil ich ja lieber etwas tue.“ 

Dabei kam dem wortkargen Scholz der Meister der Worte selbst zu Hilfe, also Auftritt filmreif! Robert Habeck sagte bei gut ausgeleuchteter Schweinwerferoptik und mit passendem Gesicht, der Kanzler „habe gezeigt, dass es gut ist, dass Olaf Scholz diese Regierung führt.“ 

„Ich bin froh, dass es so ist“, fügte Habeck noch an. Jetzt aber! Das ist ja wieder genau das Timbre, das Habeck so perfekt beherrscht. Der Mann offenbart vor den Kameras immer gerne mal sein Seelenleben („Ich bin froh…“), um damit öffentlich zu punkten. Und er wirkt mit seinem Stil glaubhaft. Klappe zu, Kamera läuft.