„Mir ist wichtig eine Haltung zu haben“, Interview mit Annette Huber

Annette Huber hat die Bar „Barbette“ im Alten Wiehrebahnhof eröffnet und das Café Huber abgegeben. Für die Wiehre wünscht sie sich mehr Diversität, liebt aber das französische Flair.

Foto: Barbara Breitsprecher

Vor über elf Jahren hat Annette Huber mit ihrem ganz eigenen, unkonventionellen Charme das Café Huber im Stühlinger hinter dem Bahnhof ins Leben gerufen und daraus schon bald einen beliebten Treffpunkt für vegetarische, vegane Gerichte und leckeren Kaffee gemacht. Jetzt hat sie sich einen neuen Traum erfüllt und eine Bar eröffnet: das Barbette im Alten Wiehrebahnhof. Hier kann man samstags nach dem Marktgang Kaffee trinken oder abends noch ein Gläschen Wein trinken, im Sommer auch draußen unter Kastanienbäumen. 

Wie kommt eine Schauspielerin zum Café?

Annette Huber: Eigentlich hat meine Café- und Gastrokarriere schon in jungen Jahren begonnen, um mir etwas Geld zu verdienen. Ich habe als Teenagerin mit meinen Eltern in Freiamt gelebt und dort zum Beispiel in der Küche des „Forellenstüble“ gearbeitet – und dabei mein Karma verschmutzt mit tausenden Forellenmorden (sie lacht). Ich habe dort viel in gelernt. Die Gastro hat mich immer getragen, neben meinem anderen Leben. Zeitweise habe ich ja auch die Warsteiner Galerie und den Kandelhof zusammen mit Wolfgang Frohnert und dem Eigentümer Christian Hoene betrieben, tagsüber mit Küche und abends mit Barbetrieb. Das war eine tolle Zeit. Man verbringt ja mit den Gästen seine Lebenszeit, und da darf Arbeits- und Lebenszeit nicht nur durchs Geld zusammenkommen, sondern auch durch schöne Begegnungen.

Foto: privat

Hast du deine Ausbildung in der Gastronomie gemacht?

Annette Huber: Mein erster Beruf war Sportartikel- und Modefachverkäuferin. Meine Ausbildung habe ich damals bei Sport Bührer in Emmendingen gemacht. Mit Mitte 20 habe ich dann eine Schauspielausbildung begonnen. Mit dem Aktionstheater Panoptikum war ich rund 15 Jahre lang viel unterwegs in verschiedenen Ländern. Dazu gehörte Schauspiel, Gesang und Tanzakrobatik. Das war immer sehr körperlich fordernd (sie lacht).

In dieser Zeit hast du auch deinen ersten Sohn zur Welt gebracht. 

Annette Huber: Er war viel mit dabei. Zehn Jahre später habe ich meinen zweiten Sohn bekommen. Als es 2008 zum Bankencrash und zur Finanzkrise kam, gab es ein großes internationales Kultur- und Kunststerben. Festivals wurden abgesagt und kleine Theater mussten schließen. Da ging es auch mit Panoptikum erst mal nicht weiter. Ich habe dann für mich gemerkt, ich muss wieder anders Fuß fassen, aus  finanziellen Gründen, habe wieder meine
Einzelhandelsausbildung ausgepackt und als Verkäuferin in einer Boutique für Fair-Trade-Mode gearbeitet.  

Wie kam es zum Gedanken, ein eigenes Café aufzumachen?

Annette Huber: Ich hatte schon ein paar Neustarts mitbekommen und musste mir einmal die Chance geben, es selbst zu probieren. Irgendwie hatte ich das immer wieder weggeschoben, weil ich wusste, ich werde keine Kohle erben und für Gastro gibts keine Kredite. Wie sollte ich das dann wuppen? Aber dann habe ich die Anzeige gesehen, Ladengeschäft hinterm Bahnhof zu vermieten. Ich habe angerufen und bin direkt hin. Ich hatte so Herzklopfen, ich wusste genau, welcher Laden das war und habe vor meinem inneren Auge schon das Café dort gesehen. Dann stellte sich heraus, dass ich den Vermieter kenne, ein toller, sozialer Mensch. Und es hat geklappt.

Foto: privat

Wie lange warst du im Café Huber, bevor du den Betrieb nun an deinen Sohn Luis übergeben hast?

Annette Huber: Insgesamt elfeinhalb Jahre. Es kam da der Moment, an dem mit klar war, ich möchte gerne noch mal etwas anderes machen. Ich wollte gerne eine Bar haben. Ich habe mich dann fürs Café im Alten Wiehrebahnhof beworben, und als die Entscheidung für mich fiel, habe ich mich sehr gefreut.

Vom Stühlinger in die Wiehre. Was bedeutet das für dich?

Annette Huber: Es ist ein anderes Umfeld, ein anderes Klientel. Es kommen auch alte Freunde zu mir, beispielsweise Leute, die einen Tattoo-Laden haben, die sehen alle ein bisschen anders aus. Und viele, die ich kenne, kommen aus anderen Erdteilen. Wenn die hier aufschlagen, ist das schon immer etwas exotisch. Im Café Huber ist es normal, dass man jeden Tag mindestens zehn verschiedene Nationalitäten vor sich stehen hat. Das ist hier nicht so. Aber dafür  ist es wahnsinnig schön, sehr ruhig, mit einem hohen Frieden in sich. Das tut mir gut, denn das Stühlinger ist schon rough und tough. Und das Café Huber war laut, ein Stressmoment, das man erst bemerkt, wenn man es nicht mehr hat. Aber mein Ziel wäre es, das Publikum hier zu mischen.  Das könnte auch ein Gewinn für das Kommunale Kino sein. Dieser Ort hier braucht mehr Diversität.

Annette Huber hat die Bar „Barbette“ im Alten Wiehrebahnhof aufgemacht. Foto: Barbara Breitsprecher

Hat die Art, wie du ein Café oder eine Bar betreibst, wie sie an deine Person gekoppelt ist, auch etwas von einer Performance?

Annette Huber: Es ist auf jeden Fall ein kreativer Prozess und den gestalte ich. Das fängt schon mit dem Bewusstsein an für die Waren, die ich zum Konsumieren anbiete, aber auch welche Musik gespielt wird oder die Gestaltung der Einrichtung. Wenn man etwas  anbietet, wofür man Geld verlangt, dann ist man in einer Verantwortung, gegenüber den Kunden, aber auch gegenüber den Produzenten, von denen man seine Waren bezieht. Und wenn man eine Ehrlichkeit und Transparenz bewahren will, dann kann nicht sein, dass dabei irgendjemand auf der Strecke bleibt. Warum sollte jemand, nur weil ich vielleicht abends billig Wein saufen will, in Italien oder Spanien für drei Euro die Stunde auf dem Feld arbeiten? Wieso sollte ich das wollen? Ich kann nicht überall hundert Pro clean sein, aber wenn ich es beeinflussen kann, will ich das machen.

Vermisst du deinen Beruf als Schauspielerin?

Annette Huber: Immer noch. Bei Panoptikum muss man auf Tournee gehen, bei Theaterprojekten muss man proben – und ich schaffe es zeitlich ja schon nicht zu meinem Sport. Dabei macht das Schauspielen so Spaß! Es gibt kaum einen anderen Bereich, wo man so sehr die Möglichkeit hat, sich mit einem Thema so intensiv zu beschäftigen und es von allen Seiten zu beleuchten. Und man kann dabei auch viel für sich aufarbeiten. 

Du bist Pazifistin, hast aber für deine Bar den Namen Barbette gewählt, was abgesehen vom Wortspiel auch die Bezeichnung für eine Geschützbank auf einem Kriegsschiff ist. Warum?

Annette Huber: Echt? (Sie lächelt und zeigt ein kleines Pistolen-Tattoo auf ihrer Hand.) 

Bist du ein Waffenfreak?

Foto: Barbara Breitsprecher

Annette Huber: Ich bin kein Waffenfreak, aber das Überzogene aus dem HipHop kann ich immer gerne nachfühlen. Dieses Tattoo habe ich wegen des Songs „Everybody got a pistol/Everybody got a 45“ (Aus dem Song „Gun“ von Gil Scott-Heron von 1981, in dem es weiter heißt: „And the philosophy seem to be/At least as near as I can see/When other folks give up theirs/I‘ll give up mine/This is a violent civilization…“; Anm.d.Red.) Mir ist wichtig eine Haltung zu haben, zu sagen, was Sache ist.

Nochmal zurück zum Namen Barbette…

Annette Huber: Der Name kommt nicht von einer Waffe her. Es gab früher in Berlin eine Bar, die Babette hieß,  ohne das R. Das war eine meiner Lieblingsbars dort. Und nachdem das Café Huber meinen Nachnamen trägt, hat damit auch meine Bar einen Bezug zu mir. Ich kam als dritte Tochter meiner Eltern auf die Welt und mein Vater wollte mich Babette nennen. Wir waren alle Hausgeburten, meine Oma war die Hebamme. Dann kam der frühere Hausarzt aus Freiamt, der alte Dr. Roth, und der meinte, Babette gehe gar nicht, dieser Name sei französisch. Und er bestand drauf, dass ich, wenn schon, dann bitteschön Annette sein solle. Und dann war ich die Annette. Aber für meinen Vater blieb ich das „Babettle“. Ich fand den Namen passend für diesen Ort hier in der Wiehre, mit den Kastanien hinten raus, dem Boule-Platz. Babette (sie haucht den Namen sehr französisch)… klingt wie eine junge Französin. Nur habe ich dann eben noch das R von der Bar mit in den Namen eingebaut.

Das komplette Gespräch können Sie unter
www.barbarabreitsprecher.com lesen.