Höchstgeschwindigkeit, oder doch lieber Strom sparen?

Weil auf der Erde nur noch in Deutschland freie Fahrt gewährt wird, sei dies „eine Art Gütesiegel für Qualität“ der deutschen Autobauer, wie Daimler-Chef Källenius findet. Wer aber ein E-Auto kauft, hat ein anderes Bewusstsein. Da geht es nicht mehr nur ums Tempo.

Bild: Animaflora PicsStock
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Jetzt stell dir mal vor, du fährst auf einem Highway in Amerika. Die Straße führt immer geradeaus, in unendliche Weiten. Bis zum Horizont siehst du kein anderes Auto. Und wenn du einen deutschen Sportwagen fährst, kannst du locker auf 250 Stundenkilometer beschleunigen, vielleicht sogar auf 300, wenn bei dir die Abregelung rausgenommen wurde. Wenn dich aber die Highway-Patrol erwischt, dann wird es nicht nur teuer, sondern potenziell wie bei jeder Verkehrskontrolle in den USA auch lebensgefährlich. Sprich: Highway to Hell.

Egal, ob auf  einer Wüstenstraße bei Dubai, in Indien, Brasilien, Mexiko, Ägypten oder in Algerien und sowieso überall in Europa von Island über Irland bis zur Türkei, wie auch bei den direkten Nachbarn Schweiz, Frankreich, bis Italien und Spanien gelten generelle Höchstgeschwindigkeiten auch auf den Autobahnen.

Ja, man kann sagen, dass weltweit nur in Deutschland kein generelles Tempolimit gilt. Von rund 13.000 Autobahnkilometern im Land sind 70 Prozent zur freien Höchstgeschwindigkeit zugelassen. Dieses „Alleinstellungsmerkmal“ auf der Erde verteidigen Lobbyverbände trickreich.  Dabei ist die Argumentation schon ein bisschen abenteuerlich. Weil nur noch in Deutschland die freie Fahrt gewährt wird, sei dies für die hiesigen Autobauer auch „eine Art Gütesiegel für Qualität“, wie es Daimler-Chef Ola Källenius ausdrückte. Soll heißen: In solch einem Land, wo man ohne Begrenzung rasen darf, müssen die Autos wohl besonders gut sein. Daher könne man diese Autos auch weltweit überall dort besser verkaufen, wo die Fahrer dann gar nicht aufs Tempo drücken dürfen. Das ist so ein bisschen der Gedanke, dass man den schnellsten Hengst hat, auch wenn man die Zügel nicht lockern darf. Aber man könnte alle schlagen, wenn man dürfte. Das zu wissen, macht allein schon manche Menschen glücklich. 

Andere Menschen sterben. Mehr als 140 Tote und 1700 Schwerverletzte gab es im Vor-Corona-Jahr 2019 allein auf jenen Autobahnabschnitten ohne Tempolimit. Natürlich lässt sich nicht genau sagen, wieviele Verkehrs- tote hätten verhindert werden können, wenn es ein Tempolimit gegeben hätte. Notfallmedizner weisen aber darauf hin, dass die Verletzungen bei Höchstgeschwindigkeiten eben um ein Vielfaches verheerender seien als es etwa beim 130 Stundenkilomtern der Fall sei. Die Mehrheit der Deutschen ist längst für ein Tempolimit auf den Autobahnen, sogar die ADAC-Mitglieder. Und dies auch vor dem Hintergrund, dass neue Elektroautos zwar sehr schnell fahren können, man aber doch lieber Strom sparen will.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte sich aber schon früher mit dem Satz hervor getan, dass für ihn ein Tempolimit „gegen den gesunden Menschenverstand“ verstoße. Diesen gibt es also weltweit nur noch in Deutschland. Dem hat er dann in der aktuellen Diskussion den tiefgreifenden Gedanken hinzu gefügt, dass er überzeugt sei, dass autonom fahrende Autos in Zukunft ohnehin langsamer  fahren werden und man doch bis dahin „den Menschen die Freiheit der eigenen Entscheidung lassen“ solle.

Das ist schon dekadent. Während die „Freie Fahrt für freie Bürger“ (ehemaliger ADAC- Slogan) spätestens mit dem Roboterauto der nahen Zukunft eh vorbei sein wird, soll nun also der Mensch noch einmal richtig Gas geben dürfen. Quasi: Höchstgeschwindigkeits-Rausch vor dem Fall des deutschen PS-Reichs. Ja, der Scheuer könnte prompt an die alten Römer erinnern, deren Weltreich zerfiel, die aber zuvor noch mal so richtig Party machten. Wer ein E-Auto kauft, hat aber ein anderes Bewusstsein.