Einer ging noch

Nils Petersen ist eine ehrliche Haut und sagte, dass er das Drehbuch zu seinem letzten Heimspiel in Freiburg genau so geschrieben hätte. Denn natürlich hat er dabei ein Tor erzielt.

Bild: Achim Keller

Nils Petersen ist halt eine ehrliche Haut. „Wenn man ein Drehbuch hätte schreiben wollen…“– so fing er den Satz an, um dann aber auf Klartext umzuschwenken: „Also ich hätte das Drehbuch genau so geschrieben!“ Und der Fußballfilm der da zur Aufführung kam beim letzten Heimspiel des Nils Petersen in Freiburg triefte nur so vor dem Kitsch aus dem „dieser herrliche Sport Fußball“ (so ein TV-Kommentator) gemacht ist. Nils Petersen war dabei nicht nur der Drehbuchautor im Geiste, sondern gleich auch noch der Hauptdarsteller: Er schoss im letzten Heimspiel gegen Wolfsburg sein letztes Heimspiel-Tor für den SC Freiburg. Es war sein erstes Ligator in der Saison, am vorletzten Spieltag (was eventuell dann noch in Frankfurt am letzten Spieltag folgte, war bei Redaktionsschluss nicht bekannt). Und dann schoss er sogar noch ein zweites Tor, schön per Kopf ins Eck gelegt, dem der VAR dann die Anerkennung strittig machte (was wie so oft in letzter Zeit eine völlig überflüssige Einmischung war, die prompt zu einer falschen Entscheidung des dadurch verunsicherten Schieris führte). Da allerdings Nils Petersen das Drehbuch zu seinem letzten Heimspiel im SC-Dress eben genauso geschrieben hätte, war die Dramatik des nicht gegebenen zweiten Treffers aus seiner eigenen Feder geflossen.

Bild: Achim Keller
Ein weiteres Tor zum Abschied, das nicht leicht fiel. Man sieht, was alles passen muss, damit dieser Ball (zum Staunen und Entsetzen von Wolfsburger Gegenspielern) den Weg ins Netz findet. Schade, dass der Treffer dann vom VAR verhindert wurde, Bild: Achim Keller

In 277 Partien für den SC Freiburg hat Nils Petersen 105 Tore erzielt und damit Joachim Löw als Rekordtorschützen des SC überflügelt. Ja, wir erinnern uns noch an den Dribbler Löw in seinen (und unseren) jungen Tagen. War klasse, aber war alles Zweite Liga (oft noch im „Mösle“). In den achteinhalb Jahren, in denen Nils Petersen für den SC stürmte, war er hingegen meistens die „Lebensversicherung“ für den Klassenerhalt in der Ersten Liga. Fast immer spielte der SC in dieser Zeit ja gegen den Abstieg. Und Petersen bewies nicht selten seine Nerven aus Stahl. Manchmal war auch ein Sahnehäubchen dabei. Wir erinnern uns an ein Weitschusstor in Dortmund, fast von der Mittellinie, nachdem der Nils selbst den Ball erobert hatte und dem Bürki (zuvor selbst in Freiburg) beibrachte, dass es keine gute Idee ist, gegen einen Petersen zu weit vor dem Tor zu stehen. Ja, es gab Highlights!

Was die SC-Fans dem Nils Petersen aber besonders hoch anrechneten, war dessen Treue, als der SC 2015 abstieg und der Torjäger trotz anderer Angebote mit in die Zweite Liga ging. (Übrigens war Petersen damals von Trainer Christian Streich im entscheidenden letzten Saisonspiel in Hannover nicht in die Startelf berufen worden und hat dann eingewechselt noch den Anschlusstreffer gemacht – na ja, wie die Dinge sich ähneln). „Niemand ist größer als der Verein, aber du warst verdammt nah dran“, stand daher nun beim letzten Heimspiel des Nils Petersen auf einem riesigen Banner vor dem Freiburger Fanblock. „Die Anerkennung bekommt er völlig zu Recht. Der Nils war über Jahre dem Verein treu, er hätte bestimmt mal ein anderes Angebot annehmen können“, sagte Kapitän Christian Günter dazu. Und der Trainer? Obwohl alle Kameras die sehr feuchten Augen des Christian Streich nach dem (vermeintlichen) zweiten Treffer von Petersen in seinem Abschieds-Heimspiel einfingen, wollte er später „nur was am Auge“ gehabt haben. 

„Diese Schläue und diese Technik bei Nils sind unfassbar. Er trifft fast immer die richtigen Entscheidungen“, sagte Streich nach dem Spiel gegen Wolfsburg. „Alle Spieler sollen sich ein Beispiel an Nils nehmen. Er ist ein Vorbild. Es ist nicht immer nur der eine Weg, den es gibt. Das ist alles kein Zufall. Alle lieben den Nils.“

Mit 34 Treffern als Einwechselspieler führt Nils Petersen  diese spezielle Statistik der Joker  in der Bundesliga mit riesigem Vorsprung vor Claudio Pizarro an, der auf 21 solcher Tore kommt (vor dem Spiel in Frankfurt). 

Und was sagte die ehrliche Haut zum Abschied dann noch? „Diese Endgültigkeit tut immer weh“, so Petersen, „es sind die Menschen, mit denen man das verbindet. Und die werden nicht mehr täglich bei mir sein. Das ist das, was schade ist.“ Diesen Anflug an  Melancholie teilte er mit Streich, der laut eigener Aussage „nicht weiß, wie es sein wird in der Kabine ohne ihn“, und der sagte: „Wir werden in ganz enger Verbindung bleiben, vom Herz her einfach.“

Vielleicht wird die ehrliche Haut und die offene Art dann ja in anderer Funktion beim SC Freiburg noch gebraucht. Der Mann weiß ja, wie man Drehbücher schreibt.