Zerlegt für einen neuen Blick, Interview mit Udo W. Hoffmann

„Abandoned Rooms“, verlassene Räume, heißt die Ausstellung von Udo W. Hoffmann in einem leerstehenden Haus in Zähringen. Hier hat er Wände und Türen aufgesägt, Teppiche und Tapeten zerschnitten und daraus ein Kunstwerk geschaffen, das keinen Moment destruktiv wirkt, sondern einen Blick auf Details freigibt.

Fotos: Achim Keller

Ein unscheinbares Haus im Kirchhofweg 8 in Zähringen, zumindest von außen. Denn was sich im Innern dieses Hauses, das seit rund einem Jahr leer steht und umgebaut oder abgerissen werden soll, alles verändert hat, das lässt sich nicht einmal aufgrund der Graffitis, die auf den angrenzenden, alten Werkstätten zu sehen sind, erahnen. Der Freiburger Architekt und Künstler Udo W. Hoffmann, der auch mit den Planungen für den Erweiterungsbau des Gebäudeensembles beauftragt ist, hat das Innere des  Hauses auf drei Stockwerken mehr oder weniger zerlegt und zu etwas ganz Neuem, Ungewöhnlichem zusammengefügt. Mit Schnitzmesser und Säge hat er sich an Wänden und Türen, an Tapeten und Rahmen zu schaffen gemacht, hat sie aufgebrochen und umgekrempelt, das Innere nach außen gekehrt und Sehgewohnheiten in Frage gestellt. Zu seinen Assemblagen (Collagen mit plastischen Objekten in 3D) fügen sich Graffitiwerke von Michael Genter und fotografische Detailaufnahmen von Sebastian Wehrle. Ein Gespräch mit dem Künstler Udo W. Hoffmann bei einer Hausbegehung. Letztmalig ist das Haus am 20. Dezember zu besichtigen.

Sie haben jeden Raum anders gestaltet. Wie sind Sie vorgegangen?

Udo W. Hoffmann: In jedem Raum gibt es ein Objekt, das aus Materialien aus dem Gebäude entstanden ist. Da ist ein Stück rosa Teppich aus dem Schlafzimmer, hier ein Stück der bunten Tapete im Flur, dazu die Türklinken. Das alles habe ich auf Teile der Türe aufgebracht. Und es gibt in jedem Raum ein Foto von Sebastian Wehrle, der ja sonst eher bekannt ist für seine Schwarzwald-Mädels. Hier aber hat er sich mit Architektur beschäftigt und super Detailaufnahmen in einer tollen Technik angefertigt, die sich auch stark mit den Tapeten beschäftigen. Die Arbeit mit ihm hat Spaß gemacht. Und außerdem gibt es die Graffitiwerke, gesprayt und geritzt von Michael Genter.

Spannend, so einen Einblick in das Innenleben von Gebäudeteilen zu bekommen, durch die stückweise freigelegten Türrahmen oder die zersägten Türen, deren Querschnitt eine Waben- oder Röhrenstruktur aufzeigt.

Udo W. Hoffmann: Das ist der Sinn, dass man mal dahinter schauen kann. Und solch ein Innenleben haben eben noch alte Türen. Die neueren, billiger hergestellten, haben innen Pappeware. Damit kann man aber auch schöne Effekte erzielen. Ich hatte gerade auch mit Kindern und Jugendlichen, die vorbei gekommen sind, um sich meine Arbeit hier anzuschauen, viele schöne Erlebnisse. Die sind da zunächst draußen herum geschlichen und haben dann gefragt, ob sie mal rein dürfen. Und als ich zum Schluss ihre Meinung dazu hören wollte, haben sie gesagt: ‚Komisch, aber saucool‘ (lacht). Die Verweildauer  der Besucher hier hat durchschnittlich sicher eineinhalb bis zwei Stunden betragen.

Foto: Achim Keller
Udo W. Hoffmann vor einer seiner Assemblagen, gefertigt aus Teilen des Hauses. Foto: Achim Keller
Kunstwerk mit Schattenriss des Künstlers. Foto: Achim Keller

Es gibt auch so viele Details zu sehen. Hier liegt zum Beispiel ein Tapetenrest am Boden, was fast an die berühmte Fettecke von Joseph Beuys erinnert. Müssen Sie da aufpassen, dass das niemand aufräumt und was wegschmeißt?

Udo W. Hoffmann: Das ist ein Überrest eines Werks von Michael Genter, der ja alle Graffitiarbeiten hier gesprayt und geschnitzt hat. Von ihm ist auch das Porträt einer Frau, in welches er Teile der blumigen Tapete mit eingebaut hat.   Kurios war, dass bei einer freigelegten Mauer hinter der Fußleiste plötzlich Pfennige, Zehnerle und Haarnadeln lagen (lacht). Ich habe das dann bewusst einfach so liegen gelassen. Manchmal haben Besucher dann aber unwissend etwas aufgehoben. Oder in einem aufgeschnittenen Türrahmen fand ich einen stehenden Bleistift, den wollte ich erst mit verarbeiten, habe ihn dann aber auch da stehen gelassen.

Sind Sie mit der Kettensäge durchs Haus?

Udo W. Hoffmann: Nein. Ich benutze eine Kreissäge  oder auch gerne eine japanische Handsäge.

Bei Ihren Werken erkennt man stets die Handschrift des Architekten. Lässt sich das eine nicht vom andern trennen?

Udo W. Hoffmann: Ja klar, das lässt sich nicht abstreiten. Ich bin abstrakt unterwegs. Und das Thema meiner Arbeit ist grundsätzlich immer das Aufdecken und das Abdecken,  hinter die Dinge zu schauen. Und dazu gehört dann eben auch, einfach mal eine Türe aufzuschneiden.  

Sind auch ehemalige Bewohner vorbei gekommen, um sich Ihr Werk im Haus anzuschauen?

Udo W. Hoffmann: Ja, beispielsweise wollten zwei junge Frauen kommen, die als Studentinnen hier gewohnt hatten. Letztendlich kamen sie dann mit 15 Leuten vorbei. Es kamen aber auch Rechtsanwälte, Ärzte, Sozialarbeiter, Kunstsammler, Handwerker und viele Senioren, darunter auch die direkten Nachbarn. Die haben sogar Kaffee und Brezeln vorbei gebracht. Und alle haben immer sehr positiv reagiert.    

Geritztes Graffiti von Michael Genter, darunter hat Udo W. Hoffmann ein Stück der Türrahmenfassung weg gesägt. Foto: Achim Keller

Hatten Sie ein Konzept, welcher Raum zuerst dran kommt, ob erst eine Tür zersägt oder doch lieber zunächst ein Teppich zerschnitten wird?

Udo W. Hoffmann: Nein, ich mache bewusst bei der Kunst keine Planung. Ich muss ja bei der Architektur ganz genau planen, und bei der Kunst, da will ich genau das Gegenteil, da entsteht alles ganz spontan. Hier taucht ein Stück Tapete auf, dort ein Stück Schiebetüre, und hier wieder ein Stück Innenleben der Türe. Ich will zeigen, was sich hinter der „Fassade“ befindet. 

Wie kann man sich Ihr Atelier vorstellen?

Udo W. Hoffmann: Ich habe da einen Riesenfundus von vielen Dingen. Normalerweise bearbeite ich zwei bis drei verschiedene Objekte nebeneinander. Aber in diesem Fall hier, war meine Auswahl ja begrenzt, alle Dinge sind ja aus dem Haus. Aber ich habe in den Räumen auch freie Werke von mir hängen, die im Atelier entstanden sind und nichts mit diesem Haus zu tun haben. Alles ist absolut abstrakt und die Arbeiten haben auch keine Titel. Mir geht es rein um die Technik und um die Komposition. 

Bei einem Ihrer Werke hier sieht es zunächst aus, als hätten Sie einen farbigen Untergrund aufgetragen und darüber leicht weiß gestrichen. Aber bei näherem Hinsehen wirkt es dann ganz anders. Wie haben Sie das gemacht?

Udo W. Hoffmann: Es sind mehrere Schichten, die ich dann wieder abnehme. Das gehört auch zu diesem Auf- und Abdecken dazu. Ich streiche oft auf und schleife die Farbe dann teilweise wieder herunter. Und dann gehe ich wieder mit Farbe drüber. Es gibt von mir ganz schlicht wirkende Arbeiten, aber auch ganz farbige.

Möbel konnten Sie hier keine verarbeiten?

Udo W. Hoffmann: Das Haus war entrümpelt. Aber es gab einen kaputten Stuhl, den habe ich dann mit eingearbeitet – und natürlich auch wieder Tapetenstücke. Und hier, bei dieser zersägten Türe, durch die man hindurchschauen kann, haben viele Leute gedacht, da würde ein Spiegel hängen.   

Als Architekt arbeiten Sie auch oft an Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen?

Udo W. Hoffmann: Ja genau. In Emmendingen beispielsweise habe ich den Bebauungsplan für die Ramie-Lofts gemacht. Dort sollte ja zunächst alles platt gemacht werden, vieles war auch mit Asbest belastet. Aber mir war klar, das Kesselhaus und das Maschinenhaus mit dem Schornstein, so was reißt man nicht ab. Dann habe ich die Planung und eine eigene Projektentwicklung gemacht und einen Investor gesucht. Und so ist das alles zum Glück stehen geblieben.

Das leer stehende Haus im Kirchhofweg 8, das der Architekt und Künstler Udo W. Hoffmann im Innern zerlegt und neu zusammengesetzt hat. Foto: Achim Keller

Wie lange waren Sie mit den Arbeiten hier im Haus beschäftigt?

Udo W. Hoffmann: Ich habe hier natürlich etappenweise gearbeitet. Wenn ich alles zusammen rechne, dann war ich hier wohl so sechs bis sieben Tage beschäftigt. Im Atelier ist dann aber auch noch so einiges entstanden. 

Welcher Künstler hat Sie besonders beeinflusst?

Udo W. Hoffmann: Kurt Schwitters finde ich richtig klasse, überhaupt diese Zeit des Dadaismus.  Für meine Werke nutze ich alles, was ich so finde, ganz unterschiedliche Dinge, beispielsweise Reste aus einer Teppichfabrik, Verpackungsmaterial oder Plastikdeckel. Entweder ich finde das Produkt oder das Produkt findet mich. Von den Baustellen, auf denen ich immer wieder bin, ist gar nicht wirklich so viel. Aber alles wird verändert und irgendwie bearbeitet, immer wird etwas ausgesägt oder weggeschliffen, nichts bleibt in seinem Originalzustand. 

Besichtigung „Abandoned Rooms“ mit Udo W. Hoffmann
Kirchhofweg 8 in Zähringen
Letztmals am 20. Dezember
Ab 17 Uhr

Kontakt:

Udo W. Hoffmann
Tel.: +49 171 3818583

instagram:
uhkunst

3D-Animation unter:
www.t1p.de/uh8