Wortreich ins Vage verschleiert

Deutsche Politiker wie ausgerechnet Wirtschaftsminister Robert Habeck, aber auch Karl Lauterbach oder Friedrich Merz leben hinterm Mond, wenn sie „Standortpatriotismus“ fordern.

Politiker als Streifenhörnchen: Quer durch die politischen Lager wurde zum offensiven Spiel gegen den DFB geblasen. Der hat allerdings auch genau die Transparenz fehlen lassen, von der er behauptet, dass es sie gebe. Fotomontage: Adrian Kempf

Wir Insider wissen es längst: Fußball ist ein Fehlerspiel. Selbst wenn eine Mannschaft der anderen haushoch überlegen ist, wie etwa Leverkusen dem Rest der Liga, dann ist es dennoch so, dass es am Ende immer die Fehler sind, die Tore ermöglichen und Spiele entscheiden. Es heißt dann im Fachjargon, dass man „die Fehler erzwungen“ hat. Vor diesem Hintergrund hat sich eine Art verbales Wettrennen zwischen Politikern und den Funktionären des DFB entwickelt, was denn nun bei der Geschichte „Adidas“ ein Fehler sei und was eben nicht. Und ja, so mancher hat dabei das klassische Eigentor geschossen.

 
Der DFB hatte zuvor mitgeteilt, den bis Ende 2026 gültigen Vertrag mit Dauerpartner Adidas auslaufen zu lassen und sich von 2027 bis 2034 vom US-Giganten Nike ausrüsten zu lassen. Wie viel Nike bezahlt, verrät der DFB nicht. Aber angeblich soll die Summe fast doppelt so hoch sein wie die, die Adidas aktuell bezahlt: Die liegt bei zirka 50 Millionen Euro, pro Jahr! Wenn das stimmt, läge der Mehrwert für den DFB in den acht Jahren der Vertragslaufzeit bei rund 400 Millionen Euro. Tja, da muss die Fußball-Oma lange für stricken.

Die Reaktionen aus der Politik und die Konter der DFB-Funktionäre – ein Fehlerspiel 

Der angekündigte Ausrüsterwechsel beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) von Adidas zu Nike hat auch deutsche Spitzenpolitiker hinter dem Ofen hervor gelockt. Da wurde sofort offensiv gespielt, quasi im Mannschaftsverbund quer durch die politischen Lager. Den Anfang machte Wirtschaftsminister Robert Habeck, der sagte: „Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht.“

Olala, da greift einer aber ins oberste Regal. Habeck beschwört also „Schwarz-Rot-Gold“ in drei Streifen – womit Deutschland quasi zum Privatbesitz einer weltweit agierenden Firma wie Adidas würde. Einfach so, aus Nostalgie und wegen „deutscher Identität.“ Da ist wohl mal wieder das Kind in Habeck zum Vorschein gekommen. Aber Achtung: Als deutscher Wirtschaftsminister, der ja bekanntlich US-Firmen mit Milliarden-Subventionen nach Deutschland holt (während Nike ja umgekehrt dem DFB das Geld überweist), sollte Habeck vielleicht seine romantischen Gefühle zurück stellen. Denn sein Statement setzt ihn mal wieder dem Verdacht aus, dass er von Wirtschaft nicht allzu viel versteht, sondern diese als eine Art persönlichen Denksport versteht. Habeck sieht sich da selbst wohl als Regulierer, den aber keiner braucht. Schon gar nicht die Konzerne Adidas oder Nike, die weltweit ihr Milliarden-Umsätze machen. Hinzu kommt diese unsägliche Art der Nabelschau. Was sich der Mensch Robert Habeck als Trikot der deutschen Nationalmannschaft „nicht vorstellen“ kann, ist nicht wirklich interessant. Da kommen uns doch wohl kaum die Tränen.

Nach Habeck haben sich dann auch andere Politiker ähnlich geäußert: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrieb auf Plattform X: „Adidas soll nicht mehr Nationaltrikot im Fußball sein? Stattdessen ein US-Unternehmen? Halte ich für eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet …“ Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär bezeichnete es ebenfalls auf X als „eine gnadenlose Fehlentscheidung“. CDU-Chef Friedrich Merz nannte die Entscheidung „unverständlich“ und „unpatriotisch“. Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein meinte: „Der Weltmeister trägt Adidas, nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke.“ Und Markus Söder hat natürlich auch etwas Strenges gesagt.

So war der DFB der geballten Offensivkraft populistischer Politiker-Äußerungen ausgesetzt und setzte zu Kontern an. DFB-Präsident Bernd Neuendorf verlautbarte, er sei angesichts der Kritik vieler Politiker am Millionendeal seines Verbandes mit dem US-Konzern Nike „ein Stück weit fassungslos“. Er werde sich sicher nicht dafür entschuldigen, dass der Deutsche Fußball-Bund ab 2027 nicht mehr Adidas trägt, sagte Neuendorf. „Hier geht es um Wettbewerb, hier geht es um Marktwirtschaft.“ Der DFB habe schlichtweg das deutlich bessere Angebot angenommen. „Es geht darum, dass wir den Verband nicht schädigen, und das hätten wir mit Sicherheit getan, wenn wir auf dieses Angebot nicht eingegangen wären“, sagte Neuendorf.

„Ich habe mich schon sehr gewundert, dass Politiker kenntnisfrei und vor allem ohne jede Faktenlage sich populistisch so weit aus dem Fenster lehnen“, sagte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig. Auch der DFL-Aufsichtsratschef und DFB-Vize Hans-Joachim Watzke bezeichnete die meisten der Politiker-Reaktionen als „total daneben.“ Watzke sagte weiter: „Das einzige Vernünftige, was ich gelesen habe“, sei der Satz von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewesen, der gesagt hatte, das Thema sei die Sache des Verbandes.

Clever wie er ist, räumte Watzke allerdings auch die emotionale Tragweite der DFB-Entscheidung ein. „Dass das in der Öffentlichkeit so ein großes Thema ist, das war klar und das kann ich gut nachzuvollziehen“, sagte Watzke. „Als ich damit konfrontiert worden bin, habe ich auch erst mal Luft holen müssen. Das war eine gewachsene Beziehung zwischen dem DFB und Adidas.“ Doch auch für Watzke gab es keinen Spielraum für eine andere Entscheidung. Die Differenz der Angebote sei „so gigantisch groß“ gewesen. „Da gab‘s einfach keine andere Lösung.“

Warum der DFB auch nicht gut agiert hat

Zwar sieht es auf den ersten Blick so aus, als haben die Konter der DFB-Verantwortlichen zu einem 1:0-Sieg gegen die selbstverliebten Politiker geführt, doch die Krux an der Geschichte ist ja eben, dass der DFB die Fakten keineswegs auf den Tisch legt, um sich hinterher wie Rettig über genau diese fehlende Faktenlage der Politiker auszulassen. Wenn man weiß, wie Watzke sagte, dass es ein großes emotionales Thema in der Öffentlichkeit sein wird, hätte man ja aufklären können, anstatt wortreich ins Vage zu verschleiern. 

 Schon klar – es sei „Vertraulichkeit“ mit Nike vereinbart worden, heißt es vom DFB. „Die Vergabe an den künftigen Ausrüsterpartner Nike ist das Ergebnis einer transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibung“, sagte andererseits Holger Blask als Vorsitzender der Geschäftsführung der DFB GmbH & Co. KG. Das ist allerdings eine sehr gekünstelte Formulierung ohne Wahrhaftigkeit. 

Denn alle wirklich wichtigen Informationen werden nicht preis gegeben. Wie viel bekommt der Verband denn nun aus dem Deal mit Nike? Wirklich jene fast 100 Millionen Euro jährlich, wie es nun so oft heißt – und damit fast das Doppelte der Summe, die er gegenwärtig von Adidas erhält? Oder sogar ein bisschen mehr, oder vielleicht doch weniger? Wie viel davon ist fix, wie viel sind mögliche Boni? Wie groß ist der Teil der Sachleistungen? Wie weit lag das Angebot vor dem nächsten Bewerber? Und gibt‘s vielleicht einen Vorschuss, weil den DFB finanziell akut der Schuh drückt? Dies wäre dann auch eine Erklärung dafür, weshalb der DFB den Ausrüsterwechsel so viel früher als üblich publizierte (normalerweise ein Jahr Vorlauf, also 2026 nach der WM). 

Fest steht, dass Adidas durch den Wechsel in keinster Weise finanziell leiden muss, im Gegenteil: Die rund 50 Millionen Euro pro Jahr, die Adidas dem DFB überwies, waren kaum durch die Trikotverkäufe wieder rein zu holen. Sollte Nike tatsächlich das Doppelte bieten, ist das wirtschaftlich gesehen ein Mondpreis. Und dort, hinterm Mond, sind auch Habeck und Co.