Wider besseren Wissens, wieder mal

Warum eigentlich reagiert die Politik immer zu spät und zu halbherzig, wenn es um die Bekämpfung der Corona-Pandemie geht? Es ist ein Versagen aus niedrigen Beweggründen.

Die Zeit rennt. Die Politik immer zu spät dran.
Die Zeit rennt. Die Politik immer zu spät dran.

Wie kommt es eigentlich, dass die Politik immer zu spät und zu halbherzig dran ist, wenn es um die Bekämpfung der Corona- Pandemie geht? Wir erleben in der nun schon vierten Welle erneut katastrophale Szenarien, vor allem in den Kliniken, wo Ärzte und Pfleger nonstop über ihre Grenzen gehen müssen. Gibt es dafür einen Grund? Ja! Und ist das ein vernünftiger Grund? Nein! Es ist ein politisches Versagen aus niedrigen Beweggründen.

Eines gleich vorneweg: Es ist eine schamlose Lüge und ein absichtlicher Täuschungsversuch, wenn Politiker davon reden, dass die „neue Entwicklung“ (sprich: höchste Notlage ever) ja nun „gar nicht vorauszusehen war.“ Solch einen Quatsch hat FDP-Generalsekretär Marco Buschmann („die Lage hat sich verändert“) ins Feld geführt, ebenso wie bayerische Gesundheitsminister Klaus Holotscheck (CSU), der meinte, die Entwicklung sei nicht vorauszusehen gewesen.

Der Beweis des Gegenteils ist ganz leicht zu erbringen. Braucht man sich nämlich nur in der Mediathek des Deutschlandfunks eine Interview anhören, das der Virologe Christian Drosten am 2. September (!) dort gab und in dem er mit mathematischer Präzision all das vorher gesagt hat, was derzeit als Katastrophe über Deutschland hinweg fegt. 

Also nochmal: Wie kommt es eigentlich, dass die Politik immer zu spät und zu halbherzig reagiert? Wir dürfen hier wohl ausschließen, dass die Warnungen des Chef-Virologen der Charité aus Versehen überhört wurden. Der Mann wurde außerdem wie inzwischen üblich im Netz mit einer Hohn- und Hassrede aus dem Lager der Corona-Leugner überzogen. Sprich: Alle haben es vernommen, was Drosten am 2. September sagte. Seine Gegner und auch die Politiker, die nebenan in Berlin wohnen. Drosten sagte, dass man „mit dieser Impfquote nicht in den Herbst gehen“ könne, und dass es „im November weitere Kontaktbeschränkungen brauche, angesichts der erwartbaren Lage in den Krankenhäusern.“ Und er sagte, dass es eher noch schlimmer kommen werde.

So kam es. Welcher Politiker, selbst mit durchschnittlichem Verstand, will uns heute also verkaufen wollen, dass man da nix habe machen können, weil es so plötzlich und ganz und gar unvorhersehbar über das Land herein brach?

Die Wahrheit liegt auf der Hand. Im Spätsommer wollte die deutsche Öffentlichkeit endlich das Gefühl haben, dass man Corona endlich mal vergessen könne. Und das ist jetzt natürlich interessant, dass die Politiker sich eher nach solchen Stimmungen richten als nach beunruhigenden Fakten. Den Drosten wollte damals keiner im Land hören. Und die Politik war dieser Stimmung hörig, anstatt das Land für den Herbst zu rüsten. Man darf sagen: Wider besseren Wissens! Es war ja Bundestagswahl.

Das Motto der Politiker: Niemals gegen die Stimmung im Wahlvolk etwas tun, auch wenn das später zu Katastrophen in Krankenhäusern führt. Ergo: Statt zum Wohle der Bevölkerung rechtzeitig zu lenken, wartete man schleimig ab. Wieder mal. Und was jetzt? Die Ampel hat schon lange genug gezögert und gezaudert. Warum? Weil sie auf die Stimmung im Wahlvolk und jener untereinander (FDP!) Rücksicht nimmt.