Mit glasklarer Sprache

Sie kann die Lügen nicht mehr hören. Außenministerin Annalena Baerbock überzeugte die Weltöffentlichkeit bei ihrem ersten Auftritt vor der UN-Vollversammlung.

Mit glasklarer Sprache

Annalena Baerbock besticht als Außenministerin Deutschlands mit beherzten Auftritten und einer glasklaren Sprache. Sie ergänzt somit in der Außenpolitik die Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz (siehe Seite 6), der ja eine Zeitenwende  auch der deutschen Politik ausgerufen hatte. Aber Baerbock überzeugt dabei durch ihre authentischen Auftritte und rhetorische Überzeugungskraft. Damit wirkt sie tatsächlich wie ein Gegenentwurf zu Russlands Außenminister Lawrow, der ja immer nur die Floskeln aufsagt, die sein Chef Putin in die Welt setzt. Wie zuletzt bei ihrer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) in New York scheut sich Baerbock nicht, Lawrow und Putin direkt der Lüge zu bezichtigen. 

Sie zählte Stück für Stück auf, welche Lügen durch Putin und Lawrow verbreitet werden und nahm jede einzelne davon auseinander. So sagte sie etwa an Putin gerichtet, der ja behauptet eine „Friedensmission“ in der Ukraine zu verfolgen: „Ihre Panzer bringen kein Wasser. Ihre Panzer bringen keine Nahrung für Babys. Ihre Panzer bringen keinen Frieden. Ihre Panzer bringen Tod und Zerstörung.“

Und weiter: „Sie sagen, Sie handeln in Notwehr. Aber die ganze Welt hat zugesehen, wie Sie monatelang Ihre Truppen aufgebaut haben, um sich auf diesen Angriff vorzubereiten.“ Während Russland beteuere, dass es die russisch sprechende Bevölkerung in der Ukraine schützen wolle, sei es offensichtlich, dass die Truppen von Kremlchef Wladimir Putin die Häuser von russisch sprechenden Ukrainern bombardierten. Lawrow sprach Annalena Baerbock ebenfalls direkt an (der physisch bei der UN-Versammlung nicht zugegen war): „Sie können sich selbst etwas vormachen. Aber Sie werden uns nicht täuschen und nicht unsere Bevölkerung. Und sie werden ihre eigene Bevölkerung nicht täuschen.“   

Es war der erste Besuch der neuen deutschen Außenministerin Annalena Baerbock bei den Vereinten Nationen. Und der Anlass hätte kaum dramatischer sein können. Die UN-Vollversammlung war zu einer ihrer seltenen Dringlichkeitssitzungen zusammengekommen. Das Ziel: Russlands Vorgehen in der Ukraine vor der Weltgemeinschaft anzuprangern.

Im Saal appellierte Baerbock dann an die Vertreterinnen und Vertreter der 192 weiteren UN-Mitgliedsstaaten in der Vollversammlung, eine anstehende Abstimmung über eine gegen Russland gerichtete Resolution zu unterstützen. „Wenn wir nach unserer Abstimmung nach Hause gehen, wird jeder von uns am Küchentisch unseren Kindern, unseren Partnern, unseren Freunden, unseren Familien gegenüber sitzen müssen. Dann muss jeder von uns ihnen in die Augen schauen und ihnen sagen, welche Wahl wir getroffen haben.“ Es gehe um nichts weniger, als um Leben und Tod der ukrainischen Bevölkerung, die Sicherheit Europas und die Charta der Vereinten Nationen. 

Und tatsächlich: Es gab ein Ergebnis, mit dem selbst optimistische Diplomaten nicht gerechnet hatten: Die UN haben den russischen Einmarsch in die Ukraine in einer Resolution mit überwältigender Mehrheit verurteilt: 141 Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen, 35 Enthaltungen. Lediglich Belarus, Nordkorea, Eritrea und Syrien haben außer Russland selbst gegen die Resolution gestimmt. China hat nicht für Russland gestimmt, also gegen die Resolution, sondern sich enthalten. Ebenso Indien und Kuba, die sonst immer an der Seite Russlands standen.

In dem Text verurteilt die Vollversammlung die Militäroperation Russlands in der Ukraine und ebenso den Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die sogenannten „Abschreckungswaffen“ der Atommacht in besondere Alarmbereitschaft zu versetzen. Das UN-Gremium fordert, dass die Russische Föderation unverzüglich ihre Gewaltanwendung gegen die Ukraine einstellt und von jeder weiteren rechtswidrigen Androhung oder Anwendung von Gewalt absieht.

Annalena Baerbock hat ihren Teil dazu beigetragen. Sie hat bei ihren ersten Auftritten vor der Weltöffentlichkeit überzeugt. Sie wirkte eher entschlossen als eingeschüchtert. Kompliment!