Kleider machen Beute

Miese Arbeitsbedingungen, schwere Umweltbelastungen und ungerechte Handelsbeziehungen: Die Textilbranche steht seit Jahren in der Kritik. Eine Veranstaltungsreihe samt Ausstellung in Freiburg will Anstöße geben für faire und klimaneutrale Mode.

Future Fashion Freiburg

Als 2013 in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, eine neunstöckige Bekleidungsfabrik einstürzte und mehr als 1.000 Textilarbeiterinnen und -arbeiter in den Tod riss, war die Bestürzung auch hierzulande groß. In der Folge wurde viel über die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Billiglohnländern berichtet, wurden Lieferketten unter die Lupe genommen und schließlich auch Initiativen gegründet, um die Abläufe zu verbessern. Unter Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurde etwa ein „Bündnis für nachhaltige Textilien“ gegründet, eine „erste Anlaufstelle für alle Unternehmen, die ihre ökologische und menschenrechtliche Verantwortung in der gesamten Lieferkette übernehmen wollen“ (BMZ). 

 
Die Krux dabei liegt im „Wollen“. Denn die Initiative beinhaltet keine gesetzlichen Bestimmungen, sondern basiert auf Freiwilligkeit der beteiligten Unternehmen. Und so muss das BMZ heute feststellen: „In vielen Produktionsländern gibt es noch immer 16-Stunden-Arbeitstage, Löhne, die kaum zum Leben reichen, Kündigung bei Schwangerschaft oder Krankheit und Verschmutzung von Luft und Wasser. Die Sicherheitsmaßnahmen in den Textilfabriken sind oft ungenügend.“ Eine Tragödie wie 2013, betont das BMZ, „darf sich nicht wiederholen“.

Die bisherigen Maßnahmen sind dafür sicherlich kein Garant. Zwar wird inzwischen mehr fair produzierte und gehandelte Kleidung verkauft als vor zehn Jahren. Gleichzeitig wächst aber auch der Markt der Billigprodukte weiter. Laut Umweltinstitut München werden weltweit jährlich mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert – doppelt so viele wie noch vor zwanzig Jahren. Jede:r Erwachsene in Deutschland kauft danach im Schnitt 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr und trägt sie nur noch halb so lange wie vor 15 Jahren. Die Folge, so das Institut: „Weltweit fallen jährlich 92 Millionen Tonnen an Textilmüll an. Wir ersticken im Kleidermüll.“

Mit steigender Nachfrage wächst auch der Druck auf die Produktionsländer. Denn weil es vor allem die billigen Produkte sind, nach denen die Verbraucher greifen, machen insbesondere diejenigen reiche Beute, die den Preisdruck bestmöglich weiterzugeben wissen. Nach wie vor dauert in den Textilfabriken ein Arbeitstag bis zu 16 Stunden, bei 6- bis 7-Tage-Wochen. Laut Umweltinstitut München liegt der Lohn in einer Textilfabrik in Bangladesch zwischen 30 und 60 Euro pro Monat. Der Existenzlohn, um eine vierköpfige Familie zu ernähren, müsste jedoch bei etwa 250 Euro liegen. Zudem werden nach Angaben des Instituts in der Textilproduktion und -veredelung etwa 7500 verschiedene Chemikalien und rund 4000 Farbstoffe eingesetzt, denen viele Arbeiterinnen und Arbeiter in den Betrieben nicht selten schutzlos ausgeliefert sind. Und auch die Klimabilanz ist katastrophal: „Weltweit werden jedes Jahr mehr als 1,2 Milliarden Tonnen CO2 von der Textilindustrie ausgestoßen“, rechnet das Umweltinstitut vor, „das sind mehr klimaschädliche Emissionen als auf das gemeinsame Konto von internationalen Flügen und der Seeschifffahrt gehen“. 

Nach wie vor engagieren sich daher Fair-Trade- und entwicklungspolitische Gruppen, Klimaschutz- und Menschenrechts-Organisationen gegen die Folgen des globalen Textilmarktes und für faire Bedingungen. Auch in Freiburg hat sich ein Bündnis von Future Fashion, Kleiderei, EWS Schönau, Interkulturelles Textilkollektiv und anderen zum Ziel gesetzt, die Folgen des Weltmarkts für Billigtextilien nun knapp zehn Jahre nach der Katastrophe in Bangladesch erneut zu thematisieren. Den Anfang machen ein „Future Fashion Wochenende“ am 14./15. Mai sowie die Ausstellung „The life & struggle of garment workers“ mit den Fotos der aus Bangladesch stammende Fotografin Taslima Akhter, die seit Jahren bereits die Umstände in ihrem Land, auch und vor allem in den Textilfabriken mit ihrer Kamera festhält. Die Dokumentarfotografin und Aktivistin wurde 2014 für ein Foto mit dem LeadAward in Gold (Fotografie des Jahres) ausgezeichnet, das zwei Arbeiter in Umarmung in einer eingestürzten Textilfabrik zeigt. Bereits 2013 hatte das Time Magazine eines ihrer Fotos zu den „Top 10 photos of the year“ ausgewählt.

Die Aktionswochen in Freiburg starteten mit dem „Future Fashion Wochenende“ am 14./15. Mai – u.a. mit einem „Kreativtag“ auf dem Stühlinger Kirchplatz. Die Ausstellung „The life & struggle of garment workers“ wird bis zum 11. Juni im Store der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG im Volksbank-Gebäude, Bismarckallee 10, in Freiburg, zu sehen sein.

Mehr zur Ausstellung und zu den Aktionswochen:
www.futurefashion.de
www.ews-schoenau.de/freiburg

Das gesamte Programm findet sich unter:
www.aiforia.eu/de/future-fashion-wochenende