Johnsons Joggen als Statement

Der britische Premier ist wegen des „Partygate“ unter Druck. Er selbst inszeniert sich als Othello und sieht sich von Dominic Cummings in die Enge getrieben. Da zieht er lieber seine Hawaiihose an.

Wir lehnen uns entspannt zurück und wollen das Theaterstück genießen, das unter und mit Boris Johnson very british zur Aufführung kommt. Johnson selbst hat sich ja jüngst mit Shake­speares tragischem Helden Othello verglichen. Damit wies der Premierminister seinem ehemaligen Chefberater Dominic Cummings die Rolle des hasserfüllten Fähnrichs Iago zu, der seinen Feldherrn in den Ruin treibt. Es stellt sich jedoch schon die Frage, ob Boris Johnson, der zweifelnde Anhänger im Zuge der „Partygate“ von seiner Führungsqualität überzeugen will, gut beraten ist, sich als leichtes Opfer böser Machenschaften darzustellen. Aber klar, Johnson traut sich jederzeit zu, auch einen Shake­speare umzudichten und den Othello mal ganz anders zu geben. Also eher blond.

Um das aufgeführte Stück besser zu verstehen, greifen wir hier auf die von etlichen BBC-Krimis etablierte Frage zurück: Was war geschehen? Der britische Premierminister steht unter Druck, weil in seinem Amtssitz in 10 Downing Street eine Reihe von Partys gefeiert wurden – wohlgemerkt: während eines Teil-Lockdowns, den Johnsons Regierung den Engländern auferlegt hatte. 

Das ist natürlich für uns noch kein echter Spannungsbogen. Schließlich hat Johnson längst den Ruf eines Politclowns und er hat den Brexit mit einer Vielzahl von Lügen erreicht, die er dem eigenen Volk vorgaukelte. Seither sind eher die Regale in Supermärkten leer und die Schlangen an Tankstellen lang. Das taugt uns nicht zum Theaterstück, das ist zum Gähnen. 

Wenn da nicht eben dieser Cummings wäre. Den Premier zu entmachten sei in etwa so, wie ein Abwasserrohr zu reparieren: „ein unangenehmer, aber notwendiger Job“, sagte Dominic Cummings gerade dem „New York Magazine“. Okay, damit sind die Player auf der Bühne. 

Das Schauspiel bietet sofort eine weitere Volte, die Shakespeare zumindest in die Nähe kommt: Johnson habe ihm gesagt, er sei „der verfickte König“ und „ich mache, was ich will“, so Cummings. Das sei nicht in Ordnung. „Er ist nicht der König. Er kann nicht machen, was er will. Wenn man versteht, dass jemand so arbeitet, dann hat man die Pflicht, ihn loszuwerden“.

Doch damit hat das Drama noch nicht genug an Tiefe erreicht. Shakespeare mag hier nicht mehr hinschauen, aber tatsächlich erreicht die Schlammschlacht ein Niveau, das auch die BBC erschaudern ließe, also eher „Dschungelcamp“ und so. Jetzt geht es nämlich um die Rolle von Lady Macbeth, äh sorry, Carrie Johnson, der Frau von Boris Johnson. Es ist lange bekannt, dass es Differenzen zwischen ihr und Cummings gab.  Cummings selbst schildert es so: „Carrie lag ihm [Johnson] ihn den Ohren und sagte die ganze Zeit: ‚Die Medien zeichnen dich als Marionette, aber du bist es, der die Wahl gewonnen hat, du solltest der sein, der als Chef auftritt.‘“ Johnson hätte „nicht die Eier“ gehabt, um seiner Frau zu sagen: „Hör zu, ich bin Premierminister, und so mache ich das.“

Gefeiert wurde in Number 10 offenbar bei einer ganzen Reihe von Anlässen, bei der Verabschiedung von Kollegen, an Johnsons Geburtstag – und möglicherweise auch an dem Tag, als Cummings rausgeworfen wurde. In der Wohnung, die zum Amtssitz des Premierministers gehört, habe Johnsons Frau Carrie eine „Siegesfeier“ gegeben, schrieb die „Mail on Sunday“. In den Wohnräumen sei getanzt und getrunken worden, unter anderem „The Winner Takes It All“ von ABBA wurde demnach gespielt.  Shakespeare war not amused. Denn bei Othello tötet dieser seine geliebte Ehefrau Desdemona und daraufhin sich selbst.

Johnson aber lebt. Und er joggt mit seinem Mini-Hund und in einer kurzen Hawaiihose mitten durch London. Das ist wahrhaft ein Drama, und zwar eines der optischen Art. Für Johnson ist diese Art des Joggens ein Statement: Ich bin anders!