Den Trend von rot auf grün drehen

Die Bundesregierung hatte sich vorgenommen, dass in Deutschland 400.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden sollen. Bundesbauministerin Klara Geywitz gestand nun ein, dass dieses Ziel in den Jahren 2022 und 2023 deutlich verfehlt werden wird. Warum ist das so?

Bild: Frank Wagner, StockAdobe

Es läuft mal wieder nicht wie geplant. Ist ja beim Wohnungsbau nix neues. Zwar hatte sich die Bundesregierung vorgenommen, dass in Deutschland 400 000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100 000 als Sozialwohnungen gebaut werden sollen und dafür eigens wieder ein separates Bauministerium samt Milliardenetat geschaffen. Doch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) gestand nun ein: „Ich gehe nicht davon aus, dass die Zahl von 400 000 Wohnungen in den Jahren 2022 und 2023 erreichbar ist.“ Somit fehlen in Deutschland Hunderttausende Wohnungen, vor allem größere und bezahlbare in den Ballungsräumen. Warum ist das so gekommen?

Die Zinsen für Baufinanzierungen haben sich im vergangenen Jahr fast vervierfacht, zugleich zogen die Baupreise weiter unvermindert an. So war es Ende 2022 fast 17 Prozent teurer, ein Haus zu bauen, als noch ein Jahr zuvor. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes verteuerten sich Baumaterialien im Jahresdurchschnitt 2022 deutlich gegenüber dem Vorjahr. Daher stiegen auch die Preise für den Neubau von Wohngebäuden. Dazu sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe: „Aufgrund der Energiekrise mussten Bauherren und Unternehmen im letzten Jahr starke Preisanstiege verkraften. Energieintensive Baumaterialien wie Stabstahl (+40,4 %), Blankstahl (+39,1 %) und Betonstahlmatten (+38,1 %) verteuerten sich stark gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2021. Den Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als die immensen Preissprünge weiterzugeben. Dies führte im letzten Jahr dazu, dass das Bauen teurer wurde. Mit einem Jahresdurchschnitt 2022 von plus 16,4 % bei den Preisen für den Neubau von Wohngebäuden gegenüber dem Vorjahr war es die höchste gemessene Veränderung gegenüber einem Vorjahr seit Beginn der Erhebung im Jahr 1958.“

Zusätzlich wurden die Mindestanforderungen beim Neubau auf den Effizienzhaus-55-Standard verschärft. Das dürfte erst einmal zusätzliche Kosten verursachen. Zugleich wird immer deutlicher, dass die Trendwende bei den Kaufpreisen für Wohnimmobilien inzwischen da ist: Bereits zwischen Juli und September fielen die erzielten Preise im Vergleich zum zweiten Quartal – es war der erste Rückgang seit Anfang 2010. Zum Jahresende könnte sich diese Abwärtsbewegung noch verstärkt haben.

 Steigende Kosten, höhere Anforderungen, tendenziell fallende Erlöse – für Bauprofis sind das wenig verlockende Aussichten. Anfangs war die Begeisterung bei Immobilien- und Bauunternehmen noch groß, dass die Ampel-Koalition wieder ein eigenes Bauministerium schuf und das Thema damit politisch aufwertete, doch  inzwischen herrscht Ernüchterung. Die Bundesregierung tue zu wenig, um ihr Wohnungsziel zu erreichen, sagte Axel Gedaschko, der Präsident des Großvermieter-Verbands GdW.

Und wenn nun der Dax-Konzern Vonovia erklärt, seine Neubaupläne in Deutschland aus Kostengründen auszusetzen, darf man durchaus politisches Kalkül vermuten: Es sind ja nicht nur die hohen Preise für Materialien und Handwerkerleistungen und die gestiegenen Zinsen, welche ein gewinnorientiertes Bauen erschweren. Es sind auch diverse bau- und mietrechtliche Vorgaben sowie der Umstand, dass momentan Fördergeld bevorzugt (und so gewollt) in die energetische Sanierungen fließen, weil hier der Nachholbedarf so groß ist. Deshalb möchte die Wohnungsbranche politischen Druck aufbauen.

Wie die Stimmung inzwischen ist, zeigte eine interne Umfrage des Bundesverbands freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Anstatt der geplanten rund 150 000 neuen Wohnungen wollten die mittelständischen Mitgliedsfirmen in diesem Jahr wohl nur etwa 65 000 in Angriff nehmen, 2024 werde die Zahl wohl bis auf 50 000 fallen. Nach eigenen Angaben stehen die Unternehmen im BFW für etwa die Hälfte des gesamten Wohnungsbaus im Land. Es gibt also viel zu tun für die Ampel, um den Trend hier von rot auf grün zu drehen!