Die Preisfrage auf dem Rummel der westlichen Weltpolitik lautet: Wer schleimt sich am besten und am geschicktesten bei Donald Trump ein? Die Schleimspur reicht vom Merz-Besuch im Oval Office, über den G7-Gipfel in den Rocky Mountains bis zum Nato-Gipfel in Den Haag. Dabei hat der Nato-Generalsekretär Mark Rutte mit Abstand die schleimigsten Karten in der Hand. Rutte schrieb an Trump privat, der Schlag gegen Iran sei „wahrhaft außergewöhnlich“ gewesen, niemand sonst habe sich das getraut, so Rutte. Er fährt fort: „You are flying into another big success in The Hague this evening“, Trump fliege auf einen neuen großen Erfolg beim Gipfel zu. Schleim fast poetisch formuliert, das „Fliegen“ von Erfolg zu Erfolg. Immer von oben herab, wie eine Segnung des Himmels. Und der Herr da oben heißt Donald Trump, quasi Gott der Nato. Jedes Wort, auch die gelegentlich eingeflochtene Großschreibung („Du wirst etwas schaffen, was KEIN amerikanischer Präsident seit Jahrzehnten hingekriegt hat. Europe is going to pay in a BIG way“) spiegeln exakt die Trump-Diktion, in der er Postings auf seiner Plattform Truth Social verfasst. Deshalb reiht sich an die Frage, wer sich am geschicktesten an den US-Präsidenten Donald Trump heran schleimt, eine zweite Frage: Ist der somit Eingeschmeichelte nicht sogar am Ende der Dumme, der dann doch tut, was ein Mark Rutte will?
Tatsache ist allerdings, dass Trump immer im Zentrum des Interesses steht, um ihn möglichst bei Laune zu halten. Kennt man ja eher von Sonnenkönigen und anderen Monarchen, die nur Hof hielten, um sich zu amüsieren und feiern zu lassen. Die überschäumend einschleimende Nachricht von Rutte zeigte eben auch sehr anschaulich, wie die Welt des Donald Trump funktioniert, in der die Europäer jetzt leben. Jeder Erfolg ist in Trumps Welt sein Erfolg. Und in Trumps Welt ist alles, an dem er beteiligt ist, ein Erfolg.
Im Fall der Nato sieht das so aus: Bereits im Januar hat Trump gefordert, dass die jährlichen Verteidigungsausgaben der Nato-Länder auf fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung steigen müssen. Sechs Monate später haben die 31 Staats- und Regierungschefs der anderen Mitgliedsstaaten in Den Haag nun genau das beschlossen. Und Trump ergriff die Gelegenheit natürlich, wie üblich sich selbst zu loben: „Wir hatten einen großartigen Sieg hier“, posaunte er nach dem Gipfel. „Alle sagen hier zu mir: Sie haben das erreicht, Sir, Sie haben das erreicht. Ich weiß nicht, ob ich das erreicht habe, aber ich glaube, ich habe es getan.“
Nun ja, man könnte sagen, dass die Strategie des Schleimens von Mark Rutte auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Trump lobt sich ja für das, wofür Rutte ihn zuvor gelobt hatte. Immer schön und exakt das Gegenüber spiegeln, lautete das strategische Motto von Rutte. Ist ja fast wie im Fußball, man frage nach bei Nagelsmann, oder eher bei Christian Streich, der sich womöglich sogar politisch äußern würde, wenn er heute noch Trainer des SC Freiburg wäre. Für Trump dürfte es allerdings dauerhaft gelebter Alltag sein, dass lauter Mini-Trumps um ihn herum ihn zu spiegeln versuchen.
Beim Nato-Gipfel scheint das gelungen zu sein. Trump hat sich zur Nato bekannt und sogar zu Artikel 5. Für den Moment ist das ein gutes Ergebnis und ganz sicher ein besseres, als es zu befürchten war. Aber die Verbündeten wissen eben auch, wie viel – oder eher: wie wenig – Trumps Haager Treueschwüre wert sind. Alle sind schon froh, wenn er den Laden nicht in die Luft jagt. Kann das auf Dauer gut gehen? Und wenn ja, wie lange? Vielleicht nur bis zum nächsten Telefonat mit Putin? Man gebe dieses Geld nicht aus, um „irgendjemandem einen Gefallen zu tun“, sagte Kanzler Merz. Sondern man stelle diese enormen Summen bereit, um sich vor Russland zu schützen.
Schon beim G7-Gipfel in Kanada gab es die gedemütigten Sechs. Dies sind sechs Staats – und Regierungschefs, die in ihren Ländern sehr wohl mächtig sind und zusammen immer noch einen beträchtlichen Teil der Weltwirtschaft repräsentieren. Und sich im kanadischen Kananaskis doch wie Zwerge behandeln lassen mussten von dem Mann, der sich für den Größten hält und es in der Konzentration von politischer, wirtschaftlicher und militärischer Macht eben auch ist. Treffen wie das in Kananaskis folgen nur noch zwei Regeln. Erstens: Trump bei Laune halten. Zweitens: Anschließend so tun, als sei alles unter Kontrolle. Das Problem: Wer sich den Launen Trumps unterordnet oder unterordnen muss, hat eben nichts mehr unter Kontrolle.
Hinzu kommt, dass dieses Schauspiel des angeblich schlauen Schleimens in einer Weltöffentlichkeit stattfindet, die aus Wählern besteht. Das könnte westliche Demokratien nachhaltig beschädigen. Wer will schon Schleimer wählen?