Die Zahlen lügen leider nicht

Das Bundeskriminalamt registrierte 2024 die höchste Zahl an politisch motivierten Straftaten. Die größte Gefahr kommt von rechts. Und auffällig viele Täter sind noch minderjährig.

Was sagen statistische Zahlen aus?  Ist es so, wie das Sprichwort sagt, dass „Zahlen nicht lügen“? Oder können sie verwässert werden, durch diverse Interpretationen? Manchmal ist es so, dass Zahlen sehr konkret durch Ereignisse unterstrichen werden. Wenn etwa junge Menschen zwischen 14 und 18 Jahren ein Kulturzentrum niedergebrannt haben sollen und offenbar Unterkünfte für Geflüchtete anzünden wollten, ist das kein Spiel mit Zahlen. Der Generalbundesanwalt ließ fünf Teenager als mutmaßliche Terroristen festnehmen. Sie nennen sich im konkreten Fall die „Letzte Verteidigungswelle“. Auf Instagram posieren sie mit Deutschlandflagge, Sturmhauben und Bengalos. Sie zeigen den SS-Totenkopf. Selbstbeschreibung: „Jung, frech, radikal“. Der Generalbundesanwalt hält sie für eine Terrorgruppe. Mehrere Mitglieder der kürzlich zerschlagenen, rechtsradikalen Terrorgruppe „Letzte Verteidigungswelle“ waren offenbar schon zuvor länger im Visier der Ermittler. Die Bundesanwaltschaft hatte bei Razzien in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hessen die fünf jungen Männer festnehmen lassen. Die 14- bis 18-Jährigen sollen Anschläge auf Geflüchtete und politisch Andersdenkende geplant haben. Teils sollen sie den Angaben der Behörde zufolge bereits früher Brandanschläge verübt haben. Generell wächst die Zahl der sehr jungen Neonazis.

Das Bundeskriminalamt registrierte 2024 mehr als 84 000 politisch motivierte Delikte – die höchste Zahl seit zwei Jahrzehnten. Die größte Gefahr kommt von rechts. Die Kurve politisch motivierter Straftaten steigt insgesamt steil nach oben. Ihre Zahl erreichte 2024 den bei Weitem höchsten Stand der vergangenen zwei Jahrzehnte. Die Zahl der polizeibekannten Fälle wuchs in Deutschland im Jahresvergleich um 40 Prozent auf 84 172 Delikte.  Die Daten gehen aus dem Jahresbericht des Bundeskriminalamts (BKA) zu politisch motivierter Kriminalität hervor, den Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) zusammen mit Holger Münch, dem Präsidenten des Bundeskriminalamts, vorgestellt hat. Die Zahlen hätten „extrem zugenommen“, sagte Dobrindt.

Die Ergebnisse des BKA liefern Aufschluss darüber, wie aufgeheizt die politische Stimmung derzeit im Land ist – und welche Folgen dies hat. Besonders Wahlkampfattacken nehmen zu. Im „Kontext Wahlen“ stieg die Fallzahl im Vorjahresvergleich um 425 Prozent auf 11 000 Fälle – auch weil im vergangenen Jahr viele Wahlen stattfanden. Sie richteten sich in ähnlichem Umfang gegen Grüne (3204 Fälle) und AfD (3075 Fälle). Auch SPD (2546 Fälle) und CDU und CSU (1462 Fälle) waren oft betroffen.

Auch beim vermuteten Motiv für die politisch motivierte Kriminalität insgesamt spricht die Statistik des BKA eine deutliche Sprache. Denn die Straftaten aus dem rechten Milieu sind nach Fallzahlen das mit Abstand größte Problem. Die Statistik weist für 2024 insgesamt fast 43 000 Delikte aus dem rechten Spektrum aus – eine Zunahme um 48 Prozent. Die zweitgrößte Tätergruppe kommt mit 9900 Delikten aus dem linken Lager (plus 28 Prozent). In rund 9000 Fällen geht die Polizei von religiösen Hintergründen oder ausländischen Ideologien aus.

Es ist natürlich besonders erschreckend, wenn sich Teenager im Alter von 14 Jahren schon so radikalisiert haben, dass sie aktiv an potenziell tödlichen Anschlägen teilnehmen. Und die Dunkelziffer ist hoch. Schließlich ist die „Letzte Verteidigungswelle“ nur eine von vielen solcher Organisationen. Woran kann es liegen? Forscher weisen darauf hin, dass während der Corona-Pandemie eine Art Vakuum entstanden ist, in das die rechtsextremen Organisatoren stoßen. Übrigens auch deshalb, weil in der Folge der Pandemie viele Projekte aus Kultur, Sozialarbeit und Prävention mangels staatlicher Finanzierung eingestellt werden mussten. 

Die Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet für 2024 einen Anstieg der Gewaltkriminalität bei Minderjährigen. 11,3 Prozent mehr Kinder sind demnach tatverdächtig gewesen sowie 3,8 Prozent mehr Jugendliche.Bundesweit für Entsetzen sorgte vor zwei Jahren der brutale Tod einer Zwölfjährigen in Freudenberg in Nordrhein-Westfalen, deren Leiche viele Messerstiche aufwies. Zwei Kinder, Mädchen im Alter von damals 12 und 13 Jahren, gestanden die Bluttat.

Ja, solche Zahlen sind nicht schön. Um ihnen zu begegnen, wird es mehr brauchen als „Law and Order.“ Vielfältige Konzepte in der Jugendarbeit, die halt etwas kosten!