Und sie stieg ins gelbe Taxi

Annalena Baerbock hat in New York ihren neuen Job als Präsidentin der UN-Generalversammlung angetreten. Warum wird sie dafür schon wieder angefeindet?

Fotomontage: Adrian Kempf

Es ist wohl wahr, dass „Taxidriver“ Robert de Niro und Annalena Baerbock sich in ihrer Einschätzung gegenüber Donald Trump weitgehend einig sind. Seit Baerbock das Amt als Präsidentin der UN-Generalversammlung in New York antrat, muss sie rund 150 Staatsoberhäupter in den Griff bekommen. Das gelingt ihr – auch mithilfe eines Holzhammers. Auf eine Trump-Beschwerde reagiert sie deutlich – und relativ gelassen. Als der sich in seiner Rede über einen nicht funktionierenden Teleprompter beschwert, hält Baerbock dagegen. „Wir können Ihnen versichern, dass die UN-Teleprompter sehr gut funktionieren“, sagt die Präsidentin der UN-Vollversammlung, als Trump seine Ansprache beendet hat. Ein UN-Sprecher erklärt später, das Weiße Haus habe für die Rede des US-Präsidenten seine eigene Ausrüstung mitgebracht. Shit happens. Aber Baerbock ist dabei so klar wie sie es auch als deutsche Außenministerin stets war. Und genau das scheint auch der Stein des Anstoßes zu sein – vor allem in den Netzwerken in Deutschland. Protokollarisch sind Präsidentin Annalena Baerbock und Präsident Donald Trump bei der UN-Veranstaltung gleichgestellt. Aber was sollen sie miteinander besprechen, die Frau, die sich vorgenommen hat, den Multilateralismus zu retten, und der Mann, der ihn munter zerstört. Baerbock sagt: „Traurigerweise gibt es in der politischen Öffentlichkeit eine Tendenz dazu, öffentliche Institutionen schlechtzureden. Wir sehen das in Deutschland genau wie den USA. Aber die Mehrheit der Deutschen würde ja zum Glück nicht sagen, lasst mal die Bundesregierung oder die UN abschaffen.“ Das ist Baerbock. Und stieg in eines der gelben New Yorker Taxis.


Wenige Tage vor ihrem offiziellen Amtsantritt als Präsidentin der Uno-Vollversammlung hat sich die frühere Bundesaußenministerin mit einem Instagramvideo im Stil der ikonischen TV-Serie „Sex and the City“ aus ihrer neuen Heimat gemeldet. Baerbock präsentiert sich in dem Clip im schwarzen Blazer, Jeans und schwarzen High Heels. Am Anfang des Videos erscheint der Schriftzug »ARE YOU READY?«. Ob sie die Frage sich selbst, den Instagramnutzern, New York oder der Weltpolitik stellt, bleibt offen. Dann winkt Baerbock sich zu Beginn des Videos eines der gelben New Yorker Taxis heran, steigt ein, schreibt etwas in ein Notizbuch mit dem Schriftzug »Better Together«, bevor sie es auf die Sitzbank wirft, wo bereits eine Zeitung mit dem Titel »The United Times« liegt. Natürlich fährt das Taxi auch am Hauptgebäude der Vereinten Nationen in Manhattan vorbei, zwischendurch schaut Baerbock – jetzt sonnenbebrillt – nachdenklich aus dem Fenster. Zu dem Clip läuft natürlich die New-York-Hymne »Empire State of Mind« von Alicia Keys und Jay-Z.


Und gleich kamen wieder die Proteste aus den deutschen „Sozialen Netzwerken“. Warum eigentlich? Es ist wohl so, dass Annalena Baerbock hierzulande aneckt – weil sie eine Frau ist, die sich Macht zuwendet. Was bei Männern mit Lob quittiert würde, wird bei ihr als Frau mit Kritik überzogen. Und das ufert teilweise ja brutal aus. Erst kamen die Bild-Schlagzeilen, dann die Twitter-Sümpfe voller russischer Trolle, irgendwann gefälschte Porno-Bilder. Doch Baerbock blieb gelassen. Sie verwies immer wieder darauf, dass jene, die am lautesten schreien, ja nicht die gesamte deutsche Gesellschaft repräsentieren. Dass sie auch sehr viel positive Rückmeldungen für ihre Arbeit und ja, auch ihre Videos bekomme. „Man sollte niemals die aufgeheizte Stimmung auf Social Media mit der Mehrheitsmeinung verwechseln“, sagte Baerbock.
Es bleibt dennoch die Frage, warum es diese Stimmung gegenüber Baerbock überhaupt so gibt. Eine junge, selbstbewusste Frau in einem hohen Amt, die sagt, was sie denkt, und niemandem übermäßig Respekt entgegenbringt: Das ist für manch einen schon die reinste Provokation. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich ihre Art und ihre Neigung, Konflikte auch auszutragen, nur bedingt mit der Rolle einer Chefdiplomatin vertragen. Baerbock soll früh beschlossen haben, sich nicht zu verbiegen, lieber eckt sie mal an. Den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping nannte sie mal einen der „Diktatoren dieser Welt“. Es folgte ein wochenlanger Shitstorm in Deutschland, Internet-Trolle wie Oppositionspolitiker stellten ihre diplomatischen Fähigkeiten infrage.
Dazu kommt zweifellos, dass es Leute gibt, die ihr schlicht das Leben neiden, das sie in New York gerade führt. Doch das muss sie ja nicht scheren. Baerbock wird auch für die Wahl des neuen UN-Generalsekretärs ab 2027 zuständig sein – in dieser Rolle gab es bisher ausschließlich Männer. „In fast 80 Jahren hat diese Organisation nie eine Frau für diese Rolle ausgewählt. Man mag sich fragen, wie aus vier Milliarden möglichen Kandidatinnen da nicht eine einzige gefunden werden konnte?“, fragt Baerbock. Das ist stark. Sie gibt contra und versteckt sich nicht.