Schwer auf Sendung

Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bringt den Menschen im Land seine geplante Krankenhausreform mit lauter Auftritten in TV-Interviews und Talkshows näher. Und hat sich mit den Ländern geeinigt.

Wenn es darauf ankommt, ist Karl Lauterbach ein Profi. Und zwar ein Spezialist für die diversen TV-Sendungen, mittels derer er seine Botschaft an die Leute bringt. Einst hat ihn diese ganz besondere Talkshow-Qualität sogar ins Amt als Bundesgesundheitsminister befördert, weil der Wahlsieger und Kanzler Olaf Scholz gar nicht anders konnte, als den beliebten TV-Erklärer dann auch zum Minister zu machen. „Ihr wollt ihn – ihr bekommt ihn“, war die Ansage von Scholz. Das war fast wie in Hollywood. Roter Teppich für den Karl. Und nun ist er wieder in die Offensive gegangen. Ob in „Bericht aus Berlin“, dem „Morgenmagazin“ oder eben in der Talkshow bei Lanz: Lauterbach erklärte den Leuten seine Pläne für die heftig diskutierte Krankenhausreform. Und er tat dies sehr gekonnt. Da war wenig vom „zerstreuten Professor“ zu sehen, aber viel von konzentrierter klarer Botschaft. Schließlich hat er sich nach langem Streit auch mit den Ländern auf die Eckpunkte seiner Reform geeinigt. Dies sei eine „Revolution“ sagte Lauterbach. Und das stimmt sogar.

Karl Lauterbach hat seine  Entschlossenheit demonstriert. Das geht beispielsweise so: Das Geld vom Bund solle künftig nur noch dahin fließen, wo die Qualität gut sei. „Das können wir als Bund vorgeben, dafür sind wir zuständig. Die Länder müssen uns sagen, welche Kliniken diese Vorgaben erfüllen können.“ Dann sei innerhalb kurzer Zeit klar, welche Krankenhäuser noch gebraucht würden und was diese machen sollten. „Die Planung folgt der Reform“.

Wie soll die Reform aussehen?

„Ziel der Krankenhausreform ist es, den Druck von den Kliniken zu nehmen und bundeseinheitliche Standards zu setzen“, so Lauterbach. Bisher müssen Kliniken behandeln, um Fallpauschalen zu erhalten und „über die Runden zu kommen, zum Teil auch Fälle, die sie nicht ganz so gut können“, so Lauterbach. „Daher müssen wir aus diesem ökonomischen Druck heraus, mehr Wert legen auf Qualität.“ Schon für das Vorhalten von Technik und Personal sollen Krankenhäuser künftig Geld bekommen, unabhängig davon, ob sie diese einsetzen. Die Fallpauschalen sollen minimiert werden. Eine Mischfinanzierung von 60 Prozent der Mittel dafür, dass Kliniken die Voraussetzungen schaffen, zu behandeln, und 40 Prozent für die tatsächliche Behandlung sei notwendig. Wissenschaftler hielten das für die richtige Mischung, sagte der SPD-Politiker. Die Fallpauschalen blieben aber erhalten, denn sonst „könnte man ja Gewinne machen, indem man einfach nicht behandelt“, erläutert Lauterbach.   

Die Krankenhausreform sei „mindestens zehn Jahre überfällig“, so Lauterbach. Kleiner Seitenhieb auf seine Vorgänger im Amt. Mit schönen Grüßen an Jens Spahn. Und man kauft das Lauterbach auch ab, weil er nicht wie ein Politiker rüber kommt, dem die Sache weniger wichtig ist als die Gunst der Wähler. Er kommt hier tatsächlich mehr wie der Wissenschaftler rüber, der etwas verändern möchte.

Insgesamt sei in der Vergangenheit immer Geld in ein marodes System gesteckt worden. „Das war falsch“. Das Geld müsse jetzt in die Umsetzung der Reform fließen. Dazu müsse man aber klar wissen, welche Krankenhäuser noch benötigt würden und für was genau, so Lauterbach. 

Die Toten, die nicht sein müssten

In deutschen Krankenhäusern sterben Mensch, die nicht sterben müssten. Und zwar weil die Versorgung nicht überall gut genug ist. Zu diesem Ergebnis kam die „Regierungskommission Krankenhausversorgung.“ Sie ist vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzt. Zu ihr gehören Experten aus privaten und öffentlichen Krankenhäusern, aus Verbänden und Universitäten. „Bei den planbaren und auch bei den Notfall-Eingriffen hat Deutschland erhebliche Qualitätsdefizite. Das muss man ehrlich einräumen“, so Lauterbach zu den Ergebnissen der Kommission. Und weiter: „Wir sind im internationalen Vergleich bei vielen Erkrankungen nicht in der Spitze. Auch nicht in Europa.“ Und das wirke sich messbar auf die Lebenserwartung in Deutschland aus.

Beispiel Krebs: Derzeit, so heißt es in der Studie, werden zwischen 35 und 84 Prozent aller Patientinnen und Patienten in speziellen Krebszentren behandelt. Bei Brustkrebs zum Beispiel erhöht sich die Überlebenschance um 23 Prozent. Die Studie hat dies auf Lebensjahre runter gerechnet und kommt zu dem Schluss: Würden sich bei den elf untersuchten Krebserkrankungen alle Betroffenen in den speziellen Zentren behandeln lassen, würden Erkrankte Lebensjahre hinzugewinnen. Auf alle untersuchten Krebserkrankungen gerechnet könnten es 20.000 Lebensjahre sein.

Beispiel Schlaganfall: Entscheidend bei einem Schlaganfall ist es, möglichst schnell in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden, das ein Schlaganfallzentrum, eine sogenannte Stroke Unit, hat. Derzeit weiß man, dass 30,4 Prozent der Menschen nach einem Hirninfarkt im Krankenhaus versterben. Werden sie in ein Krankenhaus mit Stroke Unit eingeliefert, sinkt die Sterblichkeit auf 23,9 Prozent. Würden alle in solche speziellen Krankenhäuser eingeliefert, könnten, so die Berechnungen der Forscher, 4.969 Menschen zusätzlich gerettet werden.

Hinzu kommt: Derzeit haben laut der Studie 328 Krankenhäuser ein Schlaganfallzentrum. 1.049 Häuser behandeln Schlaganfälle ohne spezielle Stroke Unit. Alle Häuser seien derzeit innerhalb von 21,6 Minuten erreichbar. Würde sich die Behandlung auf die 328 Häuser mit Stroke Unit konzentrieren, würde sich die Behandlung den Angaben zufolge nur um knapp zwei Minuten verzögern.

Die Angst vor dem Klinik-Sterben

Als Gegenargument zu der von Lauterbach angestrebten Reform wird häufig die Angst vor dem Klinik-Sterben angeführt. Das ist allerdings missverständlich. Denn die finanzielle Schieflage vieler Häuser ist jetzt schon da und oft würde die Reform da sogar helfen. Man müsse jetzt mit der Reform schnell sein, sagte Lauterbach: „Die Krankenhäuser fangen jetzt langsam an, in große wirtschaftliche Not zu kommen.“

„Wir haben 1719 Krankenhäuser, für die haben wir jetzt schon nicht das Personal, nicht die Pflegekräfte.“ Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gebe, diese aber die bessere Versorgung bieten, dann ist das aus meiner Sicht richtig“, so Lauterbach. Das Ziel der Reform sei eine bessere Versorgung. Ohne die Reform würden noch viel mehr Krankenhäuser schließen müssen. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erwartet die Schließung von bis zu einem Fünftel der Kliniken in Deutschland. „Auch wir als Krankenhäuser haben längst akzeptiert, dass wir Standorte zusammenlegen, umgestalten oder schließen müssen“, sagte DKG-Chef Gerald Gaß.

Die Kritik an „Brandmarkungen“ des Bundes

Lauterbach hat angekündigt, dass er die Qualitätsdaten zu jedem einzelnen Krankenhaus öffentlich machen werde. Man müsse die Patienten über die Qualitätsunterschiede aufklären.Okay, auch da hat er recht. Man stelle sich umgekehrt vor, dass Menschen für ihre Behandlung ins „falsche“ Krankenhaus gingen, weil die Informationen vom Gesundheitsminister nicht öffentlich zur Verfügung gestellt würden. Das geht ja gar nicht. Für Patientinnen und Patienten sind die Änderungen ein Fortschritt. Dass alle Bundesländer dem Eckpunkte-Plan von Lauterbach zustimmten, außer Bayern (einzige Gegenstimme) und Schleswig Holstein (Enthaltung), ist daher ein gutes Zeichen. Es ist höchste Zeit, besser zu werden.