Es ist kurz vor Weihnachten natürlich eine große Vorfreude da – auf die Pakete, die man im Internet bestellt hat. All die Geschenke dann auszupacken, die man machen möchte. Da ist dieses Prickeln, wenn man die Pakete öffnet, um zu sehen, ob denn auch alles gut ist, was sich darin befindet. Und noch toller geht es in der Politik zu. Denn da werden bevorzugt Pakete geschnürt, wo dann jeder was rein getan hat. Wie zum Beispiel beim „Rentenpaket“, so schön geschnürt: Die darin enthaltene Mütterrente ist ein zentrales Vorhaben der CSU, die Aktivrente hatte die CDU vorangetrieben, die Haltelinie die SPD. Dieses Paket wurde schon im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung so festgeschrieben, ohne den es ja diese gar nicht gäbe. Es ist ein bewährtes politisches Kunststück, verschiedene Interessen und Wahlversprechen in ein Paket zu schnüren, mit dem die Beteiligten unterm Weihnachtsbaum zufrieden sein können. Nur eines darf halt keinesfalls passieren: Das Paket dann nochmal aufzuschnüren. Denn dann wäre dem Springteufel des Koalitionsbruchs Tür und Tor geöffnet. Und man muss in diesem Falle auch sagen: Die Regierungskoalition der Union mit der SPD geht mit dem Rentenpaket eine Sache an, die etliche Regierungen zuvor einfach nicht wagten. Es war stets ein undankbares Ding, sich über die Rentensicherung und die demografische Entwicklung in Deutschland her zu machen. Denn das konnte ja immer nur Wählerstimmen kosten.
Kanzler Merz verteidigte die Abmachungen mit der SPD. „Wir haben im Kabinett nicht mehr oder weniger verabschiedet als im Koalitionsvertrag vereinbart“, sagte Merz. Die SPD habe in den Koalitionsverhandlungen das Rentenniveau festschreiben wollen bis zum Jahr 2039, die CDU habe dies maximal bis 2029 zugestehen wollen. Als Kompromiss habe man sich auf 2031 verständigt. „Ich bin nicht bereit, mit dieser Altersversorgung einfach mal so ein bisschen herum zu spielen nach dem Motto: Wer bietet eigentlich weniger?“, sagte Merz, der auch CDU-Chef ist. Er bekräftigte, dass es weitere, umfassende Reformen bei der Rente geben werde. Merz wies die Forderungen der Jungen Gruppe und der Jungen Union nach grundlegenden Änderungen an den schwarz-roten Rentenplänen damit zurück. Er und die SPD wollen das von Sozialministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas vorgelegte Rentenpaket vielmehr noch dieses Jahr im Bundestag beschließen. Bas sowie ihr SPD-Co-Vorsitzender und Finanzminister Lars Klingbeil machten deutlich, dass sie auf der Verabschiedung des Rentenpakets wie geplant bestehen. Die Pläne seien „ein Gesamtpaket“, zu dem sie „komplett“ stehe, sagte Bas. „Ich erwarte Verlässlichkeit und Vertragstreue von allen Beteiligten“, sagte sie mit Blick auf den Koalitionsvertrag. Es zeugt in diesem Falle von Stärke, wenn der Kanzler hier mitzieht.
Die Kritik am „Rentenpaket“ von verschiedenen Seiten
Der von Bas vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, dass das Rentenniveau bis 2031 stabilisiert wird, es gilt die sogenannte Haltelinie. Das heißt, dass die Renten bis dahin weiter mit den Löhnen steigen, auch in den Jahren danach bliebe das Niveau der Renten demnach höher. Hinzu kommt die Ausweitung der Mütterrente. Beides soll aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, die Kosten belaufen sich bis 2040 voraussichtlich auf etwa 200 Milliarden Euro. Parallel soll es mit der sogenannten Aktivrente Steuervergünstigungen geben für Beschäftigte, die im Rentenalter weiterarbeiten, und mit der Frühstartrente will der Staat für Schulkinder ein Depot ansparen für die Altersvorsorge.
Ein Paket halt. Seit Monaten hatten allerdings die Jungen in der Union darauf hingewiesen, dass ihrer Ansicht nach der Rentengesetzentwurf der Sozialdemokratin Bärbel Bas über den Koalitionsvertrag hinausgeht. Und dass es dabei um enorme Mehrkosten von 115 Milliarden Euro gehe. Die Jungen haben ihren Ärger darüber erst intern, dann in aller Deutlichkeit auch öffentlich kundgetan. Und dann haben sie sogar damit gedroht, dem Gesetzesentwurf im Bundestag die Zustimmung zu verweigern.
Auch 22 renommierte Ökonomen forderten den kompletten Stopp des Rentenpakets und kritisieren die Regierungspläne als verfehlt und fiskalisch nicht nachhaltig. Der Appell der Ökonomen bietet auf jeden Fall Klarheit zur Rentenpolitik. „Rentenpaket zurückziehen!“, steht darüber, unter dem Text finden sich die prominenten Namen etwa von Clemens Fuest, dem Präsidenten des Ifo-Instituts, über den Freiburger Wirtschaftsprofessor Lars Feld bis hin zu den Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer, Veronika Grimm und Martin Werding.
Im Streit über das Rentenpaket stellen sich danach auch die Arbeitgebervertreter gegen Bundeskanzler Merz. Arbeitgeberpräsident Dulger unterstützte die „Junge Gruppe“ in der Unionsfraktion, die dem bereits vom Bundeskabinett beschlossenen Rentenpaket im Bundestag nicht zustimmen will. „Wenn das jetzt junge Abgeordnete zum Thema in der Koalition machen, haben sie meine volle Unterstützung“, sagte Dulger. Schließlich sei das Parlament Auftraggeber der Regierung und nicht umgekehrt. „Kabinettsbeschlüsse können geändert werden. Wenn sie falsch sind, dann muss das Parlament sie ändern.“ Das ist natürlich schon ein bisschen dreist. Klingt so, als könne man im Kanzleramt und in der Regierung nicht geradeaus denken. Die SPD-Chefin und Arbeitsministerin Bärbel Bas warnte prompt die Union (also deren „Junge Gruppe“) davor, das Rentenpaket scheitern zu lassen. Warum solle die SPD dann ihrerseits andere in der Koalition vereinbarte Vorhaben mittragen, fragte Bas und nannte als Beispiel die Grundsicherung, die das Bürgergeld ablösen soll. Auch diese Reform sei „ein schwieriges Thema“ für die SPD. „Wer gerade die Koalition gefährdet, sitzt in der Union“, sagte Bas.
Die Standhaftigkeit des Kanzlers Merz
Der Bundeskanzler zeigte sich trotz aller Kritik von außen nicht bereit, das auch in seiner Partei umstrittene Rentenpaket noch einmal aufzuschnüren. Stattdessen kündigt er eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Altersvorsorge an. „Wir werden die überfällige Aufgabe angehen, wir werden einen neuen Konsens der Generationen aushandeln.“ Nun ja, denn CDU-Kanzler Helmut Kohl wusste bereits im November 1989, kurz vor dem Mauerfall, dass von der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre an die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen werden, wodurch sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern drastisch verschlechtern würde.
Mit der Aktivrente solle Menschen, die länger arbeiten wollen, die Möglichkeit geboten werden – und auch die richtigen, steuerlichen Anreize. „Wir wollen und wir müssen in diesem Land länger arbeiten“, sagte Merz dazu. Außerdem werde noch in diesem Jahr die Rentenkommission ihre Arbeit aufnehmen, und sie werde „einen sehr konkreten Arbeitsauftrag bekommen“. Friedrich Merz tat gut daran, standhaft zu bleiben. Denn die politischen Risiken sind zu hoch. Die jetzt so umstrittene „Haltelinie“ bei den Renten war zentral für die SPD bei deren Entscheidung, diese Koalition mit CDU und CSU einzugehen.
Wie der Bundestag dann entschied
Am Vorabend der Abstimmung im Bundestag hatte Merz den Einsatz noch einmal erhöht. „Wir haben 630 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Die Mehrheit ist 316, wir haben 328“, sagte er. „Ich würde mir ein Ergebnis wünschen zwischen 316 und 328.“ Tja, und am Ende stand die „Kanzlermehrheit. 318 Abgeordnete stimmten für das Rentenpaket, zwei mehr als nötig. Blickt man allein auf das Ergebnis, hat Merz mit hohem Einsatz gespielt und gerade noch gewonnen. Er hat um eine Kanzlermehrheit geworben und sie bekommen. Aber es bleibt die Frage, ob der Kanzler seinen Konflikt mit den Jungen besser hätte lösen können, wenn er früher auf deren Bedenken eingegangen wäre und auf öffentliche Zurechtweisungen verzichtet hätte.
Tja, in dem Rentenpaket ist vieles verpackt, was sich fremdelt. Aber der Kompromiss ist okay. Auch wenn Weihnachten vor der Tür steht, wird nicht jedes Geschenk gut ankommen. Aber es hat halt jeder sein Päckchen zu tragen.

