Es geht um Bilder. Zur Wirkung von Bildern findet sich bereits in der Bibel an zentraler Stelle eine Aussage. In den Zehn Geboten heißt es: „Du sollst dir kein Bildnis machen!“ Das sei nur erwähnt, weil ein Bild im Umfeld des Begräbnisses von Papst Franziskus im Petersdom in Rom entstand. Und dieses Bild vom Abschied von Papst Franziskus wird in die Geschichte eingehen: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij und US-Präsident Donald Trump, auf zwei Stühlen sitzend, einander zugeneigt im Gespräch im Petersdom. Die beiden saßen sich auf goldenen Stühlen gegenüber, die so nah beieinanderstanden, dass sich beinahe die Kniespitzen des ukrainischen und des amerikanischen Präsidenten berührten. Die Wirkung des Bildes ist so groß, weil in ihm eine Hoffnung mitschwingt: Im Geiste Franziskus’ könnte Friede entstehen in der Ukraine. So kann selbst ein Papstbegräbnis zur Kulisse für ganz andere Ereignisse geraten. Es ist wohl keine allzu gewagte Prognose, wenn man sagt: Zu den Bildern, die von diesem 26. April 2025 in Erinnerung bleiben, wird auch das Foto des Zwei-Mann-Stuhlkreises gehören, den Donald Trump und Wolodimir Selenskij im Petersdom bildeten. Dies auch deshalb, weil dieses Bild tatsächlich ein Gegenstück bildet zu jenen Aufnahmen als Selenskij Ende Februar aus dem Weißen Haus geschmissen worden war. Dort also das voll gestopfte Oval Office, in Rom nun das vertrauliche Gespräch unter vier Augen.
So entstand also ein Bild, von dem manche sogar sagen, dass es dem verstorbenen Papst Franziskus wohl hätte gefallen können. Zwei Männer, die miteinander reden, doch dieses Mal ohne belauscht zu werden. Aber wird das wirklich etwas ändern?
Immerhin ein neuer Tonfall von Trump
Ein Sprecher des Weißen Hauses sprach anschließend von einer „sehr produktiven“ Begegnung. Selenskij bestätigte diesen Eindruck, er wolle aber nicht allzu viele Details verraten, die Sache sei extrem heikel. Auf Social Media teilte der ukrainische Präsident dann mit, man habe „eine Menge“ unter vier Augen bereden können, es sei ein „sehr symbolisches Treffen“ gewesen, es habe sogar „das Potenzial, historisch zu werden, wenn wir gemeinsame Ergebnisse erzielen“. Nach der viertelstündigen Petersdom-Diplomatie bekundete Selenskij außerdem seine Hoffnung auf einen „vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand“ sowie auf einen „verlässlichen und dauerhaften Frieden, der einen weiteren Krieg verhindert“. Ausdrücklich bedankte er sich bei Donald Trump für dessen Einsatz.
Auch Trump änderte signifikant seine Tonlage. Es habe keinen Grund gegeben, in den vergangenen Tagen Raketen auf zivile Gebiete, Städte und Dörfer in der Ukraine zu feuern, schrieb Trump: „Es bringt mich zum Nachdenken: Vielleicht will er den Krieg gar nicht beenden, sondern führt mich an der Nase herum – und muss anders behandelt werden.“
Trump drohte Putin auch ganz konkret mit Sanktionen, er deutete an, Moskau noch weiter vom internationalen Bankensystem abschneiden zu wollen. Zusätzlich brachte er sogenannte Sekundärsanktionen ins Spiel – damit sind Strafmaßnahmen gegen Länder oder Unternehmen gemeint, die weiterhin mit Russland Geschäfte machen. Von Trumps Seite sind das Worte in einer bislang beispiellosen Schärfe gegenüber Moskau.
Die Frage ist: Ist das nicht das übliche Vorgehen von Trump, mit Drohungen schneller zum Erfolg in seinem Sinne zu kommen? Was hat ihm Selenskij an „extrem heiklen“ Nachrichten geliefert?
Donald Trump und das Reality-Programm
Denn das Bild aus dem Petersdom verweist zunächst einmal nur auf eine allzu bekannte Fähigkeit Trumps: Er vermag noch die heiligsten Hallen zur Kulisse des eigenen Reality-TV zu machen. Oder anders gesagt: Donald Trump ist nicht einfach Donald Trump, Donald Trump spielt stets Donald Trump. Insofern hat er das Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen!“ in seinem ganz eigenen Sinne etwas moduliert. Ihm ist es am wichtigsten, dass alle anderen, am besten die ganze Welt, sich ein Bildnis von ihm macht. Natürlich das, was ihm gefällt.
Dazu passt eine Kuriosität am Rande. Donald Trump hat kürzlich verfügt, dass ein Trump-Gemälde im Kapitol des Bundesstaates Colorado abgehängt wird. Trump will ein Bildnis von sich nicht haben? Nein, er mag einfach dieses Ölgemälde der Künstlerin Sarah Boardman nicht, und zwar deshalb, weil er sich darauf nicht in seiner vollen Schönheit abgebildet findet. Er kritisiert Boardman auch dafür, dass sie sich bei ihrem Porträt von Barack Obama viel mehr Mühe gegeben habe.
Die ersten 100 Tage waren Programm
Nun ist Trump 100 Tage in seiner zweiten Amtszeit am Ruder. Mit Ergebnissen, mit denen zu rechnen war. Naiv könnte man fragen: Wer hätte es je für möglich gehalten, dass ein US-Präsident nur noch jene Richtersprüche und Strafermittlungen akzeptiert, die ihm in den Kram passen? In Wahrheit aber hat Trump genau dies in seinem Wahlkampf ständig angekündigt.Wer dachte, dass ein gewaltsamer Kapitolsturm, de facto ein Putschversuch, zum „Tag der Liebe“ umdefiniert werden kann? In Wahrheit hätten es alle vor der Wahl denken können, weil Trump genau das offen versprochen hat. Klipp und klar angekündigt war ja auch, dass Zehntausende Staatsbedienstete einfach so ohne Vorwarnung gekündigt werden können. Dass man in den USA ohne Gerichtstermin festgenommen, abgeschoben und in ein Strafgefangenenlager deportiert werden kann. Dass man Angst haben muss, seine Meinung zu äußern, wenn sie dem Präsidenten nicht passt. Dass die klipp und klar in der Verfassung geregelte Begrenzung auf zwei Amtszeiten für Präsidenten plötzlich zur Debatte steht, weil Trump mit einer von der Verfassung verbotenen dritten liebäugelt – genauso wie das vor ihm auch Wladimir Putin in Russland und Xi Jinping in China taten
Ein bisschen überraschender kam dann gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit, dass man als Kanadier, Grönländer und Panamaer ernsthaft fürchten muss, von den USA erobert zu werden. Das folgt einem Programm. Trump geht dabei nämlich mit einer Taktung vor, die beispiellos ist. Allein am ersten Amtstag hat er 26 Executive Orders unterzeichnet, inzwischen sind es weit über hundert. Das alles folgt einer Strategie, die der ehemalige Trump-Berater Stephen Bannon einst auf den Begriff brachte: „to flood the zone with shit“. Vornehm ausgedrückt: die Öffentlichkeit mit Unsinn und Spektakel zu überfluten. Denn es geht dabei nicht darum, die anderen zu überzeugen, sondern sie zu überwältigen, zu lähmen. Man kommt gar nicht mehr mit bei all den Irrsinnsmeldungen aus den USA. Dabei ist – und das ist Strategie – vieles eigentlich Unfassbares fast untergegangen, was zu herkömmlichen Zeiten den Diskurs über Tage und Wochen geprägt hätte. Weil viel „shit“ schon im Moment seiner Verkündung von immer neuen und immer noch schockierenderen Meldungen überlagert wurden.
Und man muss wohl sagen, dass diese Strategie in den ersten 100 Tagen von Trumps zweiter Amtszeit auch der überwältigende Eindruck war: Lähmung sowohl in den USA als auch in der Welt. Aber klar, dass wird nicht ewig so bleiben.
Du sollst dir sein Bildnis machen
Der geschäftsführende Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius warnte davor, dass jüngste Treffen zwischen Trump und Selenskij am Rande der Papst-Beerdigung als Kurswechsel der USA zu sehen. „Die Signale sind höchst widersprüchlich, mal sehr freundlich, mal sehr unfreundlich.“ Dies wechsele praktisch täglich.
Sicher ist lediglich, dass es Trump immer um das Bildnis geht, das andere sich von ihm machen sollen. Um das nochmal zu beweisen, hat er ein KI-generiertes Bild von sich als neuer Papst sowohl über das weiße Haus wie auch über seinen eigenen Account verbreitet. Später wurde ja ein US-Amerikaner tatsächlich zum Papst gewählt. Trump reklamiert das für sich, wie alles.