Die Shit-Happens-Situation mit Satire retten?

Der deutsche Außenminister Johann Wadephul lobt die unsägliche Rede von US-Präsident Donald Trump vor der UN in den ARD-Tagesthemen. Das geht schon in Richtung Selbstbetrug.

Fotomontage: Adrian Kempf

Deutsche Fernsehzuschauer könnten sich bei Betrachtung der „Tagesthemen“ ein bisschen verarscht vorgekommen sein, als sie den deutschen Außenminister dort im Interview hörten. Und ja, man konnte sich tatsächlich fragen: Ist das nun die höchste Kunst der Diplomatie, oder handelt es sich bereits um Satire in Reinform? Denn Johann Wadephul hat nach der sogenannten Rede von US-Präsident Donald Trumpf vor der UN-Vollversammlung doch tatsächlich lobende Worte gefunden und diese dem geneigten Zuschauer dann auch mitgeteilt. Dies klang schwer danach, dass er gar nicht zu den Wählern im eigenen Land sprach, sondern zu Trump und dessen Vasallen. Was war geschehen? Was da in New York zum allgemeinen Schrecken aufgeführt wurde, war nicht nur die längste, sondern auch chaotischste aller bisherigen Trump-Reden vor den Vereinten Nationen. Der US-Präsident sprach knapp eine Stunde lang über so ziemlich alles: über Lebensmittelpreise in den USA, „Windmühlen“ in Schottland sowie Gefängnisse in Österreich und der Schweiz. Er behauptete, der Bürgermeister von London wolle die Scharia einführen und Umweltschützer „alle Kühe töten“. Trump mäanderte: „Eure Länder werden zur Hölle fahren“, meinte Europa und auch Deutschland. Dazu Wadephul in den ARD-„Tagesthemen“: „Er war ausführlich. Trump nimmt offensichtlich die Vollversammlung doch sehr ernst und hält sie für wichtig.“


Nun ja, ist das sein Ernst? Oder ist es der eher verzweifelte Versuch des deutschen Außenministers, die Shit-Happens-Situation mit Satire zu retten? Und dies natürlich auch im Auftrag und in Absprache mit Kanzler Friedrich Merz, der sich ja aufgrund seiner Körperlänge von fast zwei Metern den Respekt von Donald Trump erwerben konnte. Dass der US-Präsident ein gutes Verhältnis zum Kanzler habe, „ist eine hervorragende Nachricht für Deutschland, für die Bundesregierung“. Merz habe ein persönliches Verhältnis zu Trump entwickelt und nutze das zum Wohle Europas und Deutschlands, aber auch der Ukraine. „Er redet Trump nicht nach dem Mund, sondern sagt klar seine, unsere europäische Auffassung an der Seite der Ukraine. Und das hat den amerikanischen Präsidenten beeindruckt“, meinte Wadephul. Aber wie in seiner Formulierung schon mitschwingt, hat also eher Trump ein gutes Verhältnis zu Merz „entwickelt“ und nicht umgekehrt. Sprich: Trump macht sowieso stets was er will. Und dies zu einer Leistung von Merz machen zu wollen, ist eine Verarsche der Zuschauer und Zuhörer.

Wo hört Diplomatie auf und beginnt eine Art der Unterwürfigkeit?
Es passte zu dem verwirrenden Verlauf des Vortrags von Trump vor der UN, dass der US-Präsident seine Generalkritik an Deutschland mit einem ausdrücklichen Lob an Deutschland konterkarierte. „Deutschland wurde auf einen sehr kranken Weg geführt, sowohl in der Einwanderungspolitik als auch in der Energiepolitik“, erläuterte der Präsident. Und führte aus, allwissend, wie er sich stets gibt: „Kurz vor den Bankrott“ habe der „grüne Weg“ das Land geführt, dann aber sei die „neue Führung“ gekommen. Mit „fossilen Brennstoffen und Atomkraft“ führe sie die Deutschen wieder dorthin zurück, „wo sie schon einmal waren, was gut ist“.
Dazu wüsste die mit regungsloser Miene zuhörende Präsidentin der Generalversammlung Annalena Baerbock vermutlich das eine oder andere zu sagen, aber das verbietet natürlich das Protokoll.


Auch der am deutschen Platz sitzende Außenminister, immerhin ein Vertreter der von Trump so gepriesenen „neuen Führung“, schaut gar nicht glücklich aus. Zum einen vielleicht, weil Johann Wadephul (CDU) weiß, dass die schwarz-rote Koalition bisher gar keine neuen Atomkraftwerke ans Netz gebracht hat. Zum anderen wohl auch, weil ein paar scheinbar freundliche Worte diese verstörende Rede mit Angriffen auf Europa und die Vereinten Nationen ja auch nicht besser machen. Eines stimmt aber: Trump scheint einen Narren am neuen deutschen Kanzler gefressen zu haben. So sehr, dass er Friedrich Merz einen „starken Anführer“ nannte. Aber wo hört dann eben die Diplomatie auf und beginnt eine Unterwürfigkeit, nur weil Trump mit seinem Lob mäandert?


Es könnte ja am nächsten Tag, bei seiner nächsten „Rede“ schon wieder alles anders sein. Und sich dafür loben zu lassen, dass Deutschland angeblich auf den rechten Pfad der Tugend (darf man wörtlich nehmen) zurück gekehrt sei, ist buchstäblich grenzwertig.
Offene Grenzen und „Windmühlen“(er meinte damit Windkraft) würden die Alte Welt zerstören, das ist Trumps Kernbotschaft. „Wenn ihr euch nicht von dem grünen Energie-Betrug löst, dann werden eure Länder untergehen“, sagt er. Denn generell sei das mit der Klimakrise der „größte Betrug in der Geschichte“, so Trump. Und da will man echt wie Wadephul noch lobende Worte finden? Das ist eine Clownsmaske, die der deutsche Außenminister sich über die Nase stülpt.


Woran man den Wahnsinn erkennt …
Trump war auf seinem Weg in den Plenarsaal auf einer Rolltreppe stecken geblieben, er musste sie hochlaufen. All das nahm er zum Anlass, um zu einer Generalabrechnung mit den Vereinten Nationen auszuholen. Er zeichnete das Bild von einer kaputten, überflüssigen Organisation, die Probleme schaffe, anstatt Probleme zu lösen. Die technischen Pannen zog er dafür als Sinnbild heran. „Das sind die beiden Dinge, die ich von den Vereinten Nationen bekommen habe: eine schlechte Rolltreppe und einen schlechten Teleprompter. Na, vielen Dank!“, sagte Trump.


So weit, so lustig. Aber dann ein paar Tage später, nach Problemen auf der Rolltreppe und dem Teleprompter bei seinem Besuch der Vereinten Nationen spricht US-Präsident Donald Trump von Sabotage und fordert die Verhaftung der Verantwortlichen. Er sprach auf seiner Plattform Truth Social von „unheimlichen Vorfällen“. Aus Sicht von Trump sollten die Leute festgenommen werden, die für den abrupten Stopp der Rolltreppe verantwortlich sind, auf die er und die First Lady stiegen. „Es ist ein Wunder, dass Melania und ich nicht mit dem Gesicht auf die scharfen Kanten dieser Stahltreppe gefallen sind.“


Zur Rolltreppe-Story teilten die UN mit, ein Kameramann der US-Delegation habe die Ankunft Trumps und seiner Ehefrau dokumentieren wollen – er habe vor ihnen die Rolltreppe betreten und sei rückwärts hochgefahren. Als er oben angekommen sei, hätten Trump und die First Lady die Stufen betreten – und just in dem Moment sei die Rolltreppe stehen geblieben. Eine Untersuchung zeigte nach Angaben des UN-Sprechers im Anschluss, dass ein eingebauter Sicherheitsmechanismus am oberen Ende der Rolltreppe ausgelöst worden war. Der Kameramann habe diese Sicherheitsfunktion womöglich versehentlich ausgelöst, hieß es. Kann trotzdem sein, dass Trump demnächst die Todesstrafe für „die Verantwortlichen“ (aus der UN natürlich) fordert. So klingt halt Wahnsinn.
Kann man als deutscher Kanzler und als deutscher Außenminister darüber einfach hinweg sehen?


Trumps Sprüche gegen Putin
Trump schrieb plötzlich und unerwartet auf seiner Plattform Truth Social, er habe jetzt eingesehen, dass die Ukraine den Krieg gewinnen und alle besetzten Gebiete zurückerobern könne. Denn Russland sei ein „Papiertiger“, ein Loser-Land, das wirtschaftlich tief im Dreck stecke. „Wie auch immer, ich wünsche beiden Ländern nur Gutes“, verkündete der Präsident. „Euch allen viel Glück!“
Auf diese Sätze hin interpretierte Johann Wadephul: Trump merke jetzt, dass seine Bemühungen um einen Frieden in der Ukraine bisher erfolglos waren und ziehe nun die „richtigen Konsequenzen“ daraus. Das ist nun nicht mehr satirische Diplomatie mit Clownsmaske sondern schon Selbstbetrug. Denn die Botschaft von Trump geht ja in eine ganz andere Richtung, nämlich der, dass die USA sich aus dem Konflikt zurückzieht und dabei Merz und Co. den Krieg vor die Füße wirft. Na dann, viel Spaß!