Der Weg in die Wüste

Die Bundesregierung wird ihren Klimazielen nicht gerecht. Sowohl der von der Regierung selbst eingesetzte Expertenrat wie auch das Berliner „New Climate Institute“ bemängeln die deutsche Klimapolitik. Und 60 Professoren sagen sogar, dass die Regierung anhaltend deutsches Recht bricht. Wie kann das sein? Man hatte sich doch so viel vorgenommen.

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit zeichnet Kanzler Olaf Scholz das Bild einer wunderbaren Zukunft. Deutschland werde praktisch Vorbild in Klimapolitik und dann könne man die entsprechende Technik, Made in Germany, weltweit exportieren. Sprich: Nach der Transformation in klimafreundliche Industrie werde es allen wieder gut gehen. So weit des Kanzlers Ankündigungen. In der Realität sieht es so aus: „Wenn alle Staaten dem deutschen Vorgehen folgen würden, wäre das Ergebnis eine globale Erwärmung von zwei bis drei Grad“, heißt es in einem aktuellen Bericht vom Berliner New Climate Institute regelmäßig aktualisierten Climate Action Trackers (CAT). So weit zur Vorbildfunktion, von der Kanzler Olaf Scholz nur träumt. Das Resultat deckt sich in seiner Grundaussage mit dem vom Klima-Expertenrat der Regierung vor Kurzem vorgelegten Gutachten: „Deutschlands Klimapolitik ist weiter ungenügend.“

Wie kann das eigentlich sein? War die neue Regierung nicht besonders ehrgeizig in Sachen Klimaziele gestartet, insbesondere weil der zuständige Klima-Minister Robert Habeck heißt, ein Grüner. Ja, sie hatten sich so viel vorgenommen, wollten so vieles besser machen. Gerade beim Klimaschutz hatte die Ampelkoalition hehre Ziele. Um 65 Prozent soll Deutschland seine CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 senken. Bislang sind es nur gut 40 Prozent. Woran das liegt, ist eigentlich jedem klar: „Die Koalition müsste angesichts der nahenden Klimakatastrophe an einem Strang ziehen, wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen und in den Notfallmodus schalten, anstatt sich in Parteipolitik zu verfangen“, sagt Institutsgründer des Berliner New Climate Instituts Niklas Höhne zu den neuen Befunden, die sich im Wesentlichen nach der Auswertung der geplanten Neuerungen im Bundes-Klimaschutzgesetz und des vom Umweltbundesamt jüngst vorgelegten Projektionsberichts ergeben. Angesichts der Konflikte und der Entwicklungen in der Ampelregierung erwarten die Fachleute des CAT „keine signifikanten Änderungen in den verbleibenden zwei Jahren, die zu neuen klimapolitischen Maßnahmen führen“. Der Aufbau der LNG-Gas-Infrastruktur im Land könne sogar das langfristige Ziel der Klimaneutralität gefährden und das Risiko erhöhen, dass Deutschland in eine fossile Falle eingeschlossen wird. In der Analyse werden viele Schwachstellen im Entwurf für das neue Klimagesetz kritisiert, so etwa die aufgeweichte Verantwortung für die Sektorenziele, was insbesondere den klimapolitischen Ehrgeiz in den Bereichen Verkehr und Gebäude noch weiter schwächen könne. Es sei nicht zu erwarten, dass die anderen Sektoren klimapolitisch so viel „übererfüllen“, dass diese die dürftigen Fortschritte in diesen beiden Sektoren kompensieren könnten.

Begeht die Regierung anhaltenden Rechtsbruch?

Gut sechzig angesehene Verfassungsjuristen und Völkerrechtler haben einen offenen Brief im renommierten „Verfassungsblog“ veröffentlicht: „Effektive Maßnahmen gegen die Erderwärmung statt Verwässerung des Klimaschutzgesetzes!“ fordern die Wissenschaftler. Ihr schon 2021 vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenes Credo lautet: Klimaschutz hat Verfassungsrang und ist geltendes Völkerrecht.   

Die 60 Professoren, unter ihnen sind gewichtige Stimmen wie Markus Krajewski, Professor in Erlangen sowie Vorsitzender des Kuratoriums des Deutschen Instituts für Menschenrechte und Generalsekretär der Deutschen Vereinigung für Internationales Recht. Zudem Susanne Baer, langjährige Verfassungsrichterin und Professorin an der Humboldt-Universität in Berlin, sowie Nora Markard, Professorin in Münster schreiben klipp und klar: Die deutsche Regierung bricht anhaltend deutsches Recht, sie handelt fortgesetzt illegal – und demokratiegefährdend.

Dabei geht es um die Gerechtigkeitsfrage, die schon vom Bundesverfassungsgericht 2021 angemahnt wurde: Es ist ungerecht, wie die heutige deutsche Gesellschaft unter der Führung der heutigen deutschen Regierung weiterhin so viele fossile Energien verfeuert und CO2 in die Atmosphäre pustet, wohl wissend, dass nachfolgende Generationen dann umso weniger Freiräume für ihre demokratische Selbstbestimmung haben werden. Diese werden extrem stark verzichten müssen, um Naturkatastrophen noch ein bisschen zu dämpfen.

  Das Karlsruher Gericht, so heißt es in dem offenen Brief, habe im März 2021 „klargestellt“, dass „das Grundgesetz zu wirksamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung verpflichtet“. Das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen stehe für Regierungen nicht zur freien Disposition. Und wenn nun die Bundesregierung plant, das Bundes-Klimaschutzgesetz aufzuweichen, indem sie den Ehrgeiz herunterschraubt, die „Sektorziele“ für Volker Wissings (FDP) Verkehrsministerium aufhebt und insgesamt die harten Entscheidungen weiter auf die lange Bank schiebt – dann bedeutet das absehbar einen neuen Crash mit dem Verfassungsgericht.

Was die Öffentlichkeit verwirrt

Da ist also eine sich selbst übermütig als „Fortschrittskoalition“ bezeichnende Regierung angetreten, um gerade im Bereich des Klimaschutzes weitreichende Maßnahmen zu ergreifen. Aber immer, wenn es konkret wird, gibt es Streit. Und immer ist es die FDP, die am Ende dafür sorgt, dass Gesetzesvorhaben zum Klimaschutz so abgemildert werden, dass sie kaum noch etwas bringen. Bestes Beispiel dafür ist das „Heizungsgesetz“, das nun nicht nur relativ wenig Wirkung erzeugen wird, sondern darüber hinaus der Bevölkerung auch noch den Eindruck vermittelt, dass dies doch alles Murks ist und man lieber mal gar nix ändert. Sowieso ist ja die Neigung zu Veränderungen in Deutschland nicht so groß und die Leute meinen, sie kämen am besten da durch, wenn man das mit dem Klimawandel mal ausblendet. Diese Vogel-Strauß-Haltung, den Kopf in den Sand zu stecken, geht halt nur solange gut, bis die Naturkatastrophen auch hierzulande kaum noch zu bändigen sind.

Ein sehr schlechtes Zeugnis für die Regierung

Nicht die Klimakleber der „Letzten Generation“ mit ihren störenden Klimaprotesten handelten verfassungsrechtlich fragwürdig, sondern die chronisch defizitäre Klimapolitik, sagen die Verfassungsrechtler in ihrem Brief. 

Auch der unabhängige Expertenrat für Klimafragen – der ja von der Bundesregierung selbst eingesetzt wurde – hat das Klimaschutzprogramm für das laufende Jahr bewertet – und die Wissenschaftler stellen der Ampelkoalition ein wirklich schlechtes Zeugnis aus. Es fehle „ein schlüssiges Gesamtkonzept“, sagte Brigitte Knopf, die stellvertretende Vorsitzende des Expertengremiums. Zudem beschreibe die Bundesregierung ihre Klimaschutzmaßnahmen „nur sehr vage und unkonkret.“

Bei etlichen von der Ampel anvisierten 130 Maßnahmen sehe er die „Realisierungswahrscheinlichkeit“ kritisch, sagte dann auch der Gremiumsvorsitzende Hans-Martin Henning. Die Regierung habe zwar einen hohen Anspruch formuliert, den sie jedoch nicht einlösen könne. Die Realität weiche stark von den Annahmen ab. Siehe den Traum von Olaf Scholz von einer rosigen Zukunft in Deutschland.

Fazit: Mad Max 

Der Kampf der Ampel gegen den Klimawandel  wird von der politischen Konstellation dominiert. Da ja ohne die FDP die Regierung von Olaf Scholz zerfiele, macht der Kanzler aus reinem politischen Eigennutz dort die meisten Zugeständnisse. Die Grünen machen sich vor, dass sie immerhin nicht nix erreichen und beißen auf die Zähne. Und Besserung wäre auch nicht in Sicht, wenn die nächste Regierung wieder von der Union angeführt würde, die ja schon in den letzten 16 Jahren nix getan hat.

Bleibt nur noch die Wüste, durch die wir in nicht ferner Zukunft wie Mad Max brettern werden. Volker Wissing vorne weg. Voll frei!