Der Konter der Träume

Der chinesische Autobauer BYD hat deutsche Modelle bereits in China erfolgreich in die Schranken gewiesen. Nun erfolgt der selbstbewusste Angriff auf den Markt in Europa.

Photomontage: Adrian Kempf

Der Konter läuft. Build Your Dreams (englisch für „Bau dir deine Träume“) nennt sich der chinesische Autohersteller BYD, der ja bekanntlich sogar der Hauptsponsor bei der EM in Deutschland war. Man könnte angesichts seiner neuen Offensive auch auf Buy Your Dreams (Kauf dir deine Träume) kommen. Denn nachdem BYD in China jedwede Angriffe der ausländischen Konkurrenz , etwa VW und Co, aus Deutschland, mit unschlagbaren Preisen abgewehrt hat, startete das Unternehmen jetzt den Konter in Europa. So zeigte BYD nun in mehreren europäischen Städten einen bezahlbaren Elektrokleinwagen – und zwar mit maximalem Selbstbewusstsein. „Ein kleines Elektroauto, bezahlbar, aber trotzdem mit alltagstauglicher Reichweite“: So lautet bei nahezu jeder Umfrage die Antwort vieler Menschen, wenn sie erklären sollen, unter welchen Voraussetzungen sie ihren Verbrenner gegen ein E-Auto tauschen würden. Genau diesen Wunsch will jetzt BYD erfüllen. Der „Dolphin Surf“ soll es sein. Mit großem Aufwand präsentierte BYD das Modell zeitgleich in Berlin, Madrid, Paris, Warschau und Rom. Medienvertreter und Influencer wurden eingeladen, der Launch als Aufbruch ins neue Zeitalter inszeniert. „Morgen wird ein Weltauto geboren“, verkündete BYD-Vizepräsidentin Stella Li am Vorabend der Präsentation auf einer Dachterrasse in Rom.

Und tatsächlich: BYD liefert, womit sich deutsche und europäische Autobauer bisher noch schwertun: ein technisch attraktives Elektroauto zum Preis von unter 20.000 Euro. Nur der von Stellantis vertriebene Leapmotor T03 – ebenfalls aus China – und der Dacia Spring sind günstiger zu haben. Der Aktionspreis für den Dolphin Surf beträgt 19.990 Euro. Allerdings gilt dieser Preis nur zur Markteinführung und nur bis Ende Juni 2025. Aber das BYD-Angebot bleibt auch danach interessant. Denn anschließend kostet der „Dolphin Surf“ in der Basisversion 22.990 Euro. Bereits bei der Vorstellung hatte die chinesische Marke allerdings Wert darauf gelegt, keinesfalls als Hersteller von Billigware wahrgenommen zu werden. Ein Billigprodukt ist auch der „Dolphin Surf“ nicht, wenn man die Antriebstechnologie, seine Qualität und seine Ausstattungsdetails mit den Elektro-Kleinwagen der Konkurrenz vergleicht. In der Tat wird das Modell noch für viel Aufmerksamkeit sorgen. Wegen seines Preises, wegen seiner reichhaltigen Ausstattung und wegen seiner dynamisch gestylten Karosserie. Schon in der Basisversion gibt es Sitze aus „veganem Leder“, was sich sehr angenehm weich anfühlt. Der Touchscreen im Format 10,1 Zoll ist per Knopdruck drehbar (sah man immer bei der EM-Werbung) und bietet eine individualisierbare Shortcutleiste. Das Navigationssystem mit automatischer Ladeplanung ist serienmäßig an Bord.

Einen klaren Vorteil hat BYD im Rennen um das bezahlbare E-Auto: Verfügbarkeit. Während Volkswagen weiterhin auf die Zukunft verweist, ist BYD bereits auf dem Markt. Zwar präsentierte VW im Februar mit dem „ID. Every1“ sein künftiges Einstiegsmodell und versprach nichts weniger als das Auto, „auf das die ganze Welt gewartet hat“. Doch auf dieses Auto wird die Welt noch warten müssen – bis mindestens 2027. Was Käufer dafür erwarten dürfen, ist bislang unklar. Und so könnte es tatsächlich passieren, dass BYD Volkswagen ein zweites Mal zuvorkommt, wie schon in China. Dort haben die chinesischen Hersteller früh auf kompakte Elektroautos gesetzt, während VW noch mit Software-Problemen und hohen Produktionskosten kämpfte. Inzwischen bemühen sich die Wolfsburger, in ihrem wichtigsten Auslandsmarkt mit neuen Modellen wieder aufzuholen.

Chinas Unternehmen haben nicht nur ein bisschen am deutschen Selbstverständnis als weltbeste Autobauer gekratzt. Sie sind mittlerweile so gut, dass die Deutschen von China lernen müssen. Natürlich wirkt es komisch, wenn die neuen Autos, die VW und Audi kürzlich auf der Messe in Shanghai vorstellten, optisch kaum noch von denen der chinesischen Konkurrenz zu unterscheiden sind. Die Deutschen haben sich also den Chinesen angepasst – peinlich oder clever? Man kann es auch so sehen: Audi und Co. haben endlich verstanden, was die Kunden in China wollen.

Nun läuft also der Konter von BYD in Europa und Deutschland. Und wenn nun einer damit kommt, dass den chinesischen Autobauern bezüglich politischer Unsicherheiten nicht zu trauen sei, darf man sich fragen, ob die Kutschen von Tesla mit ihrem politischen „Anführer“ Elon Musk nicht noch viel mehr zu misstrauen wäre. Quasi Spione auf Rädern. Wie das bei Kontern so ist: Entscheidend ist das Tempo. Und da liegt BYD deutlich vorne.