Das Bierzelt in Bayern lassen

Den bayerischen Provinzpolitiker Hubert Aiwanger für den deutschen Donald Trump zu halten, ist reichlich überproportioniert. Es zeugt von geistigem Tiefflug, dass Aiwanger aus der Flugblatt-Affaire politisches Kapital schlagen will. Sauber, Hubsi!

Man sollte die sprichwörtliche Kirche im niederbayerischen Dorf lassen, gleich neben dem Bierzelt  und  im Zentrum des jeweiligen Volksfestes. Den Provinzpolitiker Hubert Aiwanger für den deutschen Donald Trump zu halten wäre reichlich überproportioniert. Aiwanger mag ja in den niederbayerischen Bierzelten seine Fans dazu bringen, auf den Bierbänken zu stehen und „Hubsi, Hubsi!“ zu krakeelen. Aber das muss jetzt nicht ganz Deutschland in Aufregung versetzen. Denn selbst seine Hubsi-Fans wissen, dass der Aiwanger geistig  minder bemittelt ist. Deswegen halten sie ihn ja auch für einen von ihnen.

Beispiele für diese These gibt es reichlich. Die „schweigende große Mehrheit“ müsse sich „die Demokratie wieder zurückholen“, hat Hubert Aiwanger auf der Erdinger Demo im Juni geschmettert. Und man müsse „denen in Berlin sagen: Ihr habt ja wohl den Arsch offen da oben“. Bierselige Begeisterung allenthalben. Da sagt endlich einer mal so einen Schwachsinn, wie man ihn selbst am Stammtisch zu den Kumpels immer sagt. Hubsi!

Was macht es da aus, dass „die schweigende große Mehrheit“, von der Aiwanger fabuliert nur ein Phantasma ist. In Wirklichkeit haben Aiwangers „Freie Wähler“ in Bayern zuletzt 14 Prozent der Wählerstimmen bekommen, man könnte auch sagen: 86 Prozent der Wähler in Bayern haben Hubsi nicht gewählt. Tja, selbst in Niederbayern machen große Sprüche noch keinen Wahlsieger.

Und da ist das antisemitische Flugblatt, das Aiwanger als 17jähriger Schüler zumindest mit sich trug. Das Flugblatt lobt Preise aus. Erster Preis: „Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“. Zweiter Preis: „Ein lebenslänglicher Aufenthalt im Massengrab“. Dritter Preis: „Ein kostenloser Genickschuß“. Vierter Preis: „Einjähriger Aufenthalt in Dachau“. Fünfter Preis: „Eine kostenlose Kopfamputation durch Fallbeil“. Sechster Preis: „Eine Fahrkarte in die ewigen Jagdgründe“, in Klammern: „Erfüllungsort ebenfalls das Vergnügungsviertel Auschwitz und Nebenlager“. Alle Gewinner würden „noch im Laufe des Januars abgeholt“.

Es ist ja keine Frage, dass diese Sätze die Opfer übelst verhöhnt, die in den Konzentrationslagern der Nazis ermordet wurden. Das sah auch Markus Söder so, der mit Aiwanger an seiner Seite Bayern regiert. Das Flugblatt sei „ekelhaft und widerlich“, es sei „übelster Nazi-Jargon“, sagte Söder. Es sei auch nicht „bloß ein Dummer-Jungen-Streich oder eine bloße Jugendsünde.“

Hubert Aiwanger redete sich dann damit heraus, dass sein Bruder Helmut Aiwanger (der dies öffentlich kund tat) das Flugblatt verfasst habe. Daraufhin ließ Söder dem Hubsi einen Fragebogen mit 25 Fragen zukommen. „Nicht erinnerlich“, „entzieht sich meiner Kenntnis“, „im Detail nicht in Erinnerung“, „kann ich nicht beantworten“, lauteten Aiwangers Antworten. Die Vorwürfe gegen Aiwanger seien „schwer“, sagte Söder, das Flugblatt „besonders eklig“ und das Krisenmanagement seines Vizes „nicht sehr glücklich“. Aber den Beweis, dass dieser das Flugblatt verfasst habe, „gibt es bis heute nicht“.

„Eine Entlassung aus dem Amt wäre aus meiner Sicht nicht verhältnismäßig.“ Aiwanger habe sich ja entschuldigt und Reue gezeigt, wohl auch für das, was frühere Mitschüler berichtet haben, etwa, dass er den Hitlergruß gezeigt habe.

Pustekuchen! Hubert Aiwanger machte das Gegenteil von „Reue zeigen“. Er benutzte die Affaire, um aus ihr auch noch politisches Kapital zu schlagen. Die Freien Wähler sollten geschwächt und er selbst „ertränkt“ werden, behauptete er im Bierzelt. Die Berichterstattung über ihn sei ein „schmutziges Machwerk“. „Wir werden durch diese Kampagne gestärkt werden, wir haben ein sauberes Gewissen, meine Damen und Herren!“ 

Ja, es kann stimmen, dass Hubert Aiwanger  den Blödsatz des „sauberen Gewissens“ sagte, weil er geistig nicht mehr vermag. Und genau deshalb sollte er nicht überhöht werden, indem man ihn mit Donald Trump vergleicht.