Dann wächst die Welle nicht mehr

Krieg in Europa, Hungerkrise, Gaskrise, Inflation, Corona, Klimawandel – das ist der Mega-Tsunami.

Die große Welle

Das Wort in aller Munde heißt zur Stunde: Tsunami. Damit soll das Tückische betont werden. Denn eine solche Riesenwelle baut sich auf, während die späteren Opfer es noch gar nicht merken. Es herrscht zunächst noch eitel Sonnenschein, aber kurz darauf ist nichts mehr zu retten.  

Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist so ein Tsunami, den allerdings bis heute noch kaum jemand als solchen erkannt hat. Er wird erst noch kommen. Erst sind ein paar Regale im Supermarkt leer, dann steigen die Preise für Speise und Trank, dann wird das Tanken (trotz Steuergeschenk des Staates) wahrhaft zu einem finanziellen Abenteuer. Aber gut, das geht doch alles noch, oder? 

Doch das geht nur deshalb noch, weil es noch gar nicht die Welle ist. Gaskrise, Inflation, Ernährungskrise sind alles nur Vorboten. Wie bei einem wirklichen Tsunami sich das Meer zuerst weit zurück zieht und es einen unwirklichen Eindruck macht. So auch bezüglich der Taktik Putins. Er denkt in Wellen der Zerstörung. Die Frage wird sein, ob wir das begreifen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Russland vorgeworfen, den Hunger in der Welt „ganz bewusst als Kriegswaffe“ einzusetzen. Russland „nimmt die ganze Welt als Geisel“, sagte Baerbock bei einer internationalen Ernährungskonferenz in Berlin. Russland blockiere Häfen und beschieße gezielt Getreidespeicher. 345 Millionen Menschen weltweit seien derzeit von Nahrungsmittelknappheit bedroht und die Hungerkrise baue sich „als lebensbedrohliche Welle vor uns auf“. Aber erst Russlands Krieg habe „aus dieser Welle einen Tsunami gemacht“.

Wenn du in Deutschland vor einem Regal im Supermarkt stehst und die höheren Preise siehst, ist das in etwa so, als wenn du am Strand stehst, der sich plötzlich geweitet hat. Du bist ein bisschen alarmiert. Aber die Wucht der Welle, die zuerst die ärmsten Länder der Welt trifft, ist dir noch nicht klar. Doch sie wird rüber schwappen, wenn Millionen Menschen verhungern. Sie wird die Schockwelle für den Westen sein. Sie wird eine ungeheure Flüchtlingskrise auslösen. Sie wird das Selbstverständnis der reichen Staaten erschüttern. Paradoxerweise wird sie sogar dazu führen, dass Russland mit seiner Propaganda erreicht, dass der Westen für die Katastrophe verantwortlich gemacht wird. 

Baerbock wies schon darauf hin, dass Russland versuche, die Schuld an den explodierenden Nahrungsmittelpreisen „anderen in die Schuhe zu schieben“, doch das seien „Fake News“. Es gebe ja keinerlei Sanktionen gegen russische Getreideexporte. Doch schon heute verfängt Putins Propaganda in vielen Ländern in Afrika. Sie merken nicht, dass er sie sich unter den Nagel reißen will. Wenn es dann um Leben und Tod geht, wird Putin ein Stück Brot reichen. Und wer gerade verhungert, wird dankbar dafür sein.

In Deutschland bahnt sich noch ein weiterer Tsunami an. Der nennt sich Herbst und Winter.  Verbraucherschützer warnen schon, dass sich „die Welle aufbaut“, während noch die Sonne scheint. Sprich: Die Gaspreise könnten sich für die Haushalte demnächst verdreifachen bis verfünffachen. Da könnte schnell der Groschen fehlen, den die Leute derzeit in den lang ersehnten Sommerurlaub investieren. Und wenn dann die Verbraucher ihre Gasrechnungen nicht mehr bezahlen können, drohen Insolvenzen für die Versorger. So manches Stadtwerk steht dann auf der Kippe.

Ganz nebenbei steht auch die nächste Welle von Corona bereits in den Startlöchern. Es gibt derzeit ja sogar eine Sommer-Welle und wehe, wenn Herbst und Winter kommen. Es drohen dann erneut herbe wirtschaftliche Verluste, die deutlich teurer sein werden als die gerade von Gesundheitsminister Lauterbach eingesparten Gelder für kostenlose Bürgertests. Mangelnde Einsicht in die Zukunft begleitet seit Jahren die Corona-Pandemie. Nach jeder Welle bleiben viele Tote zurück. Und noch weiß keiner, wie tödlich die nächste Mutante sein wird.

Was den Klimawandel betrifft, hat Deutschland ja erlebt, was ein Tsunami ist. Als Folge der von Starkregen ausgelösten Fluten waren Mitte Juli 2021 insgesamt 183 Menschen gestorben. Besonders stark betroffen waren Gebiete in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. 

Krieg in Europa, Hungerkrise, Gaskrise, Inflation, Corona und Klimakrise: Man mag sich nicht vorstellen, wie vernichtend es sein kann, wenn sich das alles gegenseitig hochschaukelt. Es wäre der Mega-Tsunami. Es wäre wohl der Triumph des Bösen. Es wäre Zerfall.

Die Hoffnung liegt in einem grundsätzlichen Umdenken, wie es vor allem junge Menschen schon haben. Nicht mehr: „Mein Auto, mein Haus, mein Boot.“ Andere Werte statt immer nur Wachstum um jeden Preis. Dann wächst die Welle nicht mehr.