Bullshit, Bas, Bier!

Arbeitsministerin Bärbel Bas hat deutliche Verschärfungen beim Bürgergeld angekündigt. Das könnte auch darauf zurück zu führen sein, dass sie zwei Bier mit Kanzler Merz trank, pro Person.

Fotomontage: Adrian Kempf

Es musste sich erst mal alles finden. Da hatte Kanzler Friedrich Merz in seiner ständigen Ankündigungsorgie gesagt, dass er den Sozialstaat für unbezahlbar halte. Daraufhin erklärte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), dass der Kanzler großen Mist rede, genauer gesagt: Bullshit! Doch dann kam die Wende im Binnenklima der schwarz-roten Regierung – und zwar beim Bier! Denn „beim Bier“, so verrieten es Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), hätten sie jüngst ihren vollmundigen Streit über den Sozialstaat ausgeräumt und sich sogar „nett“ unterhalten. Auf Nachfrage behaupteten sie sogar, dass es zwei Bier gewesen seine, also pro Person. Wir vermuten allerdings, dass dann erst ein drittes Bier den Koalitionsfrieden wieder ins Gleichgewicht bringen konnte. Vielleicht sogar mehr, denn wie der Volksmund weiß, kann man auf drei Beinen nicht stehen. Sehr wohl aber kann man dann Drei mal gerade sein lassen. Jedenfalls hat nun kürzlich, längst entbiert, Arbeitsministerin Bas verkündet: Die Koalition plant eine drastische Verschärfung der Bürgergeld-Regeln mit schnelleren und höheren Leistungskürzungen bei versäumten Terminen oder abgelehnten Jobs. Die Karenzzeit für teure Wohnungen soll entfallen und das Schonvermögen verringert werden, bevor der Staat Unterstützung zahlt. Und schließlich: EU-Zuwanderer sollen künftig nicht mehr mit Minijobs ergänzend Bürgergeld erhalten können, um Missbrauch zu bekämpfen.


Die Verschärfungen, die ganz im Sinne von Kanzler Merz sein dürften, erklärte Bas so: „Wir brauchen erst einen politischen Konsens zu dem Thema.“ Bas versprach eine Reform „mit Augenmaß“. Grundsätzlich werde die Regierung das Bürgergeld „konsequenter auf Vermittlung und Mitwirkung ausrichten“, so die Ministerin. „Dazu gehört auch, dass wir die Rechte und Pflichten verbindlicher Regeln und Leistungsminderungen verschärfen.“ Außerdem sprach sie sich dafür aus, gegen Missbrauch vorzugehen. „Wir dürfen nicht naiv sein“, sagte Bas. Es gehe zwar um eine Minderheit, aber genau diese wenigen Fälle würden das gesamte System in Misskredit bringen.
Nun ist es ja so, dass gerade bei diesem Thema die Koalitionspartner qua Tradition weit auseinander liegen. Denn die CDU will niedrigere Staatsausgaben und Steuern, die SPD eher höhere. Zweitens gibt der Koalitionsvertrag nur wenig Orientierung, weil er vieles nur vage skizziert. Fest steht zwar, dass das Bürgergeld zu einer „Grundsicherung“ umgebaut wird und dass jene, die nicht arbeiten wollen, härtere Sanktionen hinnehmen müssen. Sonst aber bleibt vieles offen. Und drittens sind die Regierungsparteien selbst verunsichert angesichts schlechter Umfragen und einer frustrierten Basis.


Dies wiederum könnte gerade bei der SPD ein Grund sein, sich Reformen des Sozialstaats nicht mehr länger zu verschließen. Denn immerhin nahm man bei zahlreichen Wahlen, zuletzt etwa im Ruhrgebiet, zur Kenntnis, dass dort viele Arbeiter – eigentlich das Kernklientel der SPD – zur AfD abgewandert sind. Keine Partei hat so viele Arbeiter an die AfD verloren, auch weil es viele als ungerecht empfinden, dass Leistungen aus- und Sanktionen abgebaut wurden. Das Grundproblem der mitunter ausgelaugt und ideenlos wirkenden SPD ist, dass sie mit den immer gleichen Argumenten kommt: Alles sei zu komplex, da lasse sich nicht viel ändern, und dann seien da ja noch die Urteile des Verfassungsgerichts. SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil scheint allerdings verstanden zu haben, dass eine große Reform des Sozialstaats die vielleicht letzte Chance der SPD ist, etwas zu drehen. Die Jahre, als die Losung „Hartz IV überwinden“ ausgegeben und das Bürgergeld durchgesetzt wurde, haben sich Irrweg erwiesen, zumindest gemessen an den Wahlergebnissen.


Da mischen sich auch prominente SPD-Politiker von früher ein. Der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück betonte, es gebe mehr als 170 steuerfinanzierte Sozialleistungen, Wildwuchs bei den Antragsbehörden und eine absurde Überkomplexität. Franz Müntefering, der heute 85-Jährige, sagte in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ auf die Frage zu früheren und anstehenden Sozialreformen: „Aber damals wie heute kann man sich ja ausrechnen, was passiert, wenn man nichts tut. Ich habe mir damals gesagt: Da darfst du nicht kneifen, du musst sagen, was Sache ist. Und ob man ein Sozialdemokrat ist oder nicht, ist dann egal. Du hast die Zahlen vor dir und siehst: Wenn du das laufen lässt, knallt das irgendwann. Irgendeiner bezahlt das, im Zweifel die zukünftigen Generationen. Aber bevor der Wagen in den Graben fährt, muss man auch lenken.“


Fehlt jetzt nur noch Gerhard Schröder mit seinem Satz: „Holst du mal zwei Bier aus dem Keller, Schatz?“ Oder wäre das SPD-Bullshit?