Alle Macht für den späten Merz

Die CDU vollzieht einen harten Schnitt mit der Ära Merkel, indem sie dem ewigen Antipoden Merz sowohl den CDU-Vorsitz wie auch den Fraktionsvorsitz beschert.

Was dem frühen Merz vor 20 Jahren verwehrt wurde, hat der späte Merz jetzt erreicht. Er wurde mit großer Mehrheit zum neuen CDU-Chef gewählt und hat sich danach auch den Fraktionsvorsitz gesichert. Das war ja jener Posten, der ihm vor 20 Jahren von einer gewissen Angela Merkel quasi genommen wurde. Der junge Merz zeichnete sich damals für provokante Thesen aus, erlangte frühe Berühmtheit für seinen Vorschlag, eine Steuererklärung müsse auf den Bierdeckel passen. Alle Macht für Friedrich Merz, so will die CDU sich als Oppositionspartei aufbauen.  Ja ist denn nun der späte Merz reifer und besonnener (wie man das oft bei Philosophen unterteilt: der frühe Dings und der späte Dings) als es der junge Heißsporn Merz damals war? Und ist es nicht etwas seltsam, wie jetzt unter Merz die Ära Merkel nach 16 Jahren an der Regierung dargestellt wird? Nämlich fast so, als hätte es diese nie gegeben.

Ausschlaggebend für den Durchmarsch von Merz in der CDU war jedenfalls die Wahlniederlage der Union und der damit verbundene Gang in die Opposition. Denn es ist ja erst ein Jahr her, dass Merz mit seinem Ansinnen scheiterte, CDU-Vorsitzender zu werden, als er in der Stichwahl gegen Armin Laschet verlor. Da schien er erneut gescheitert zu sein. Er schob es damals darauf, dass „das Establishment“ der Partei es gegen den Willen der CDU-Mitglieder verhindert habe, ihn zum Chef zum küren. Gleichzeitig aber zeigte er auch einen Schuss „Reife“, weil er trotz er Niederlage seine Unterstützung für Laschet ankündigte. Und ja, jedenfalls war Merz es nicht, der Laschet maximal schadete, sondern das war ein Mann namens Markus Söder.

Dann kam das Wahldesaster für die CDU. Der Schock für die Union, dass sie tatsächlich nicht mehr in der Regierung ist, hat natürlich die Tendenzen gefördert, alles Bisherige „auf den Prüfstand“ zu stellen. In den vergangenen Jahren sei „zugunsten eines ausschließlich tagespolitisch geländegängigen Regierungshandelns“ auf klare Positionen verzichtet worden, analysierte also Friedrich Merz jene Zeit, in der er in der Politik gar nicht aktiv war. Sprich: Angela Merkel, 16 Jahre lang Bundeskanzlerin und 18 Jahre lang CDU-Chefin trage letztlich die Verantwortung für den Niedergang der Partei. 

Das ist mehrfach verquer. Es suggeriert, dass Merkel die Wahlen verloren habe. Doch sie hatte sich ja gar nicht mehr zur Wahl gestellt. Und noch mehr: Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass Merkel die Bundestagswahl gewonnen hätte, wenn sie denn angetreten wäre. Denn zum Zeitpunkt der Wahlen im September waren ihre Beliebtheitswerte immer noch vor allen anderen Politikern. Nicht Merkel hat die Wahl verloren, sondern der unsägliche Hahnenkampf zwischen Laschet und Söder bereitete den Boden für die Niederlage der Union.

Die CDU hat in der Folge also den ewigen Merkel-Antipoden Merz zum Vorsitzenden gewählt. Das ist durchaus ein harter Schnitt mit der Ära Merkel. Die Partei hat darüber hinaus auch Merkels Ministerinnen und Ministern abgestraft:  Julia Klöckner und Jens Spahn waren bisher stellvertretende CDU-Vorsitzende. Sie kandidierten auf dem Parteitag nicht mehr für diese Ämter, weil sie wussten, dass sie durchfallen würden. Anja Karliczek bewarb sich für einen Platz im Bundesvorstand – und scheiterte. Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier hatten sich schon vor dem Parteitag aus der Politik zurückgezogen. Helge Braun bewarb sich bei der Mitgliederbefragung für den CDU-Vorsitz – und landete abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Merkel war gestern, heute ist Merz, also der Mann von vorgestern. Aber vielleicht ist er wie ein guter Wein gereift und kann der Partei wieder zur Einheit verhelfen. Söder lauert schon.