Politische Plakate als Mittel des Widerstands

Ein politisches Plakat ist manchmal auch ein Schrei, denn Betroffenheit, Zorn, Trauer und Wut sind häufig auch die Motive, diese Plakate zu entwerfen und zu plakatieren. Von Axel Mayer

Das Plakat war und ist eine von vielen Möglichkeiten kritische, politische und ökologische Inhalte zu transportieren. Politische Plakate waren historisch ein wichtiges Massenkommunikationsmittel, das zur Mobilisierung und politischen Auseinandersetzung diente. Gerade auch im Zusammenhang mit dem geplanten und verhinderten AKW Wyhl ist eine unglaublich kreative Vielzahl von Plakaten entstanden.

Ein politisches Plakat ist manchmal auch ein Schrei, denn Betroffenheit, Zorn, Trauer und Wut sind häufig auch Motive, Plakate zu entwerfen, zu drucken und zu plakatieren. Und darum gehören in eine Wyhler Plakatsammlung auch die plakativen Klischees, der städtisch-idealisierte „knollennasige Kaiserstühler Bauer“ und der „böse, knüppelschwingende” Polizist. Wer wütend ist, übertreibt plakativ. Der Inhalt sollte sich den Menschen im Handumdrehen erschließen. Bild und Wort sollten, wenn möglich, eine Einheit bilden. Wyhl-Plakate sollten inhaltlich informieren und für Anti-Atom-Demos, Aktionen und Veranstaltungen der Volkshochschule Wyhler Wald werben. Meinung sollte gebildet, Handeln beeinflusst, Nachrichten und Informationen verbreitet werden.


Auf dem „frisch besetzten“ Platz im September 1974 im Wyhler Wald lag ein Stapel Plakate, verbunden mit der Bitte diese weiterzuverbreiten. Als junger Besetzer habe ich mich bedient, mir einen Tacker angeschafft und begonnen, Plakate an Kaiserstühler Hoftoren zu befestigen. Im Laufe des Wyhl-Protestes wurden tausende Schriftplakate, Bildplakate und Schrift-Bild-Plakate getackert und geklebt. Von mir wurde sicher mindestens ein Kilo Tacker-Munition „verschossen“ und ich kannte viele der Hoftorbesitzer, die alle gegen Atomkraft waren.


Von jedem Plakat habe ich einige Exemplare aufgehoben. In diesen frühen Anfängen 1974 liegen die Wurzeln einer umfangreichen Plakatsammlung, die weit über Wyhl-Plakate hinausgeht. Zwischenzeitlich liegt von jedem Plakat-Motiv (1466 unterschiedliche Plakate) und von jedem Aufkleber ( 835 unterschiedliche Aufkleber) zumindest ein Exemplar im Archiv des Badischen Landesmuseums, aber auch die Archive des Haus der Geschichte in Baden-Württemberg, der Bürgerinitiativen in Weisweil, das Heimatmuseum in Wyhl, das Archiv Soziale Bewegung und das Archiv Deutsches Atomerbe wurden beliefert. Im Deutschen Historischen Museum in Berlin hängt das berühmte „Nai hämmer gsait“ Plakat in der Dauerausstellung und in manchen Ausstellungen zu „500 Jahren Bauernkrieg“ im Jahr 1995 waren Wyhl-Plakate mit Bauernkriegsbezug zu sehen.


Das Motiv „HEUTE TANNEN -MORGEN WIR“ zeigt den Übergang von der Anti-Atom-Bewegung zum Kampf gegen das Waldsterben 1.0. Um das Fessenheim-Plakat „Darum Katastrophenschutzplan“ wurde viel diskutiert. Viele Aktive wollten die sofortige Abschaltung und keinen Katastrophenschutz. Das grafisch hervorragende Plakat erschien politisch zu defensiv. Es gab frühe, schlichte Schablonenmotive, es gab die inhaltlich wichtigen „Erklärungen der Bürgerinitiativen“ und Plakate im Stil chinesischer Wandzeitungen. Das Landtagswahlplakat von Herrn Dr. Schött brachte den BI-Aktiven und Endinger Apotheker lange vor der Gründung der GRÜNEN in den Landtag, obwohl kein Partei-Logo darauf zu sehen ist. Die alten Wyhl-Plakate sind heute Teil der Regionalkultur und Regionalgeschichte und sie sind, was damals niemand gedacht hätte, „museumswürdig“.


Längliche gelbe Plakate der Bewegung gegen das Waldsterben 1.0 waren zum Tackern an absterbenden Bäumen und für Telegraphenmasten gedacht. Die Nutzung bestimmt das Format. Große Plakate sind schnell „aus der Mode“ gekommen. Zuerst führte das dazu, dass die Drucke kleinformatiger wurden, dann kam der „Spucki“ (ein Papieraufkleber, der von hinten befeuchtet werden musste) und heute ist häufig der politische Aufkleber an die Stelle des Plakates getreten.


Das politische und ökologische Plakat ist heute größtenteils aus der Öffentlichkeit verschwunden und ins Internet gewandert. Es war einmal ein Teil des öffentlichen Meinungsstreits und wichtiger Bestandteil der politischen Kultur. Mal schauen, was kommt.