Vor ziemlich genau zehn Jahren war die Menschheit schon mal deutlich weiter als heute. Denn im September 2015 haben sich die Vereinten Nationen (UN) große Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt. „Diese Agenda ist ein Aktionsplan für die Menschen, den Planeten und den Wohlstand“, schrieben die Vereinten Nationen in ihren Beschluss. Kurz: „den Umbau unserer Welt“. Der US-Präsident hieß Barack Obama, und im Plenum erzählte er von einem Brief, den ihm ein 15-jähriges Mädchen aus einem Dorf in Tansania geschrieben habe: Eva Tobage. Eva verdiene dieselben Chancen wie seine Töchter. „Wir sehen dich, Eva“, sagte Obama. „Wir hören dich.“ Zehn Jahre später sind die Vereinten Nationen und in der Folge auch die Menschheit davon Lichtjahre entfernt. Da wird Eva längst nicht mehr gehört und sogar die Axt an die Grundlagen der eigenen Existenz in den USA und vor allem auch in Europa gelegt. So wird es wohl auch kein Zufall sein, dass der amtierende US-Präsident Donald Trump in seiner jüngsten Rede (an und über sich selbst, darf man sagen) prompt davon sprach, dass diese Sache mit dem Klimawandel „der größte Betrug der Geschichte“ sei. Klar könnte man darüber spotten, weil es wohl eher wahrscheinlich ist, dass Trump selbst der größte Betrug aller Zeiten ist. Donald Trump, der eher auf seine kurzfristigen Deals schaut, wird es wahrscheinlich auch nicht mehr erleben müssen, was das bedeutet.
Alle anderen jedoch werden von den Folgen nicht verschont bleiben. Eine Welt ohne Hunger, ohne extreme Armut, mit sauberem Wasser, Energie, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle, so lautete 2015 das Ziel, als die UN sich ihre Sustainable Development Goals gab, Nachhaltigkeitsziele für das Jahr 2030.
Was ist in den letzten zehn Jahren passiert?
Zehn Jahre später ist die Welt eine andere. Schon ein Jahr später, 2016, gewann Donald Trump zum ersten Mal die Präsidentschaftswahl. 2020 erschütterte eine Pandemie alle Beteuerungen globaler Solidarität, als es um die Verteilung von Impfstoff ging. 2022 brachte Russland den Krieg zurück nach Europa und spaltete letztlich die Welt. 2025 ist das Jahr, in dem die USA ihre Entwicklungshilfe nahezu komplett gestrichen haben und andere sie radikal zusammenkürzen, auch Deutschland. Nun ja, dieser Etatposten ist derjenige, bei dem am wenigsten Widerstand droht; die Evas hört und sieht keiner mehr.
Denn nicht wenige halten es schließlich weiterhin für durch und durch rational, ihr Handeln an kurzfristigen ökonomischen Zielen auszurichten. Nicht nur Trump, sondern auch Merz und Klingbeil. Allen dystopischen Prognosen der Wissenschaft zum Trotz – selbst jenen, die voraussagen, dass ein beschleunigtes Fortschreiten des Klimawandels auch für die Wirtschaft auf lange Sicht enorm kostspielig wird. Am Tag, an dem die Deutsche Gesellschaft für Physik und die Deutsche Gesellschaft für Meteorologie ihren neusten alarmierend gemeinten Appell zu möglichen drei Grad Erderwärmung bis 2050 in die Welt schickten, war das Klima in der 20-Uhr-Tagesschau der ARD überhaupt kein Thema. Stattdessen ging es um prognostizierte 0,2 Prozent Wachstum der deutschen Wirtschaft im Herbst dieses Jahres und 13.000 geplante Stellenstreichungen bei Bosch. Nun ja, das politische Klima (das haben auch die Grünen schon bemerkt) schielt auf kurzfristige wirtschaftliche Erfolge und will dafür alle „Hürden“ abbauen, die etwa wegen des Klimawandels aufgebaut worden waren.
Was haben die deutschen Wissenschaftler neu prognostiziert?
Das erste richtungsweisende Dokument ist von 1987, und zwar damals geschrieben von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) und der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG). „Warnung vor drohenden weltweiten Klimaänderungen“ war das Dokument überschrieben. Der Anteil von Kohlendioxid und anderen Spurengasen steige weltweit bedrohlich an, setze sich dieser Trend fort, würde die mittlere Temperatur auf der Erde um mehrere Grad Celsius ansteigen. Politiker müssten dringend handeln, um verheerende Folgen zu verhindern. Geschrieben also 1987, lange vor der ersten globalen Klimakonferenz, und natürlich zu Zeiten als ein gewisser Donald Trump noch längst keine Meinung zu solchen Klimafragen hatte, sondern als Immobilienhai in einer zweitklassigen Fernsehsendung aufgebaut werden sollte, die ihn dann berühmt machte. Also nicht, weil er da gut war, sondern weil er da von findigen Schreibern als Immobilienhai erdichtet worden war. Während Trump damals also gelernt hat, dass es sich für ihn lohnt, sich an ein Drehbuch zu halten, kann man die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) und die Deutsche Meteorologische Gesellschaft (DMG) unzweifelhaft zu den Vorreitern im Klimadiskurs zählen.
Und nun haben beide Gesellschaften, oder vielmehr ihre Wissenschaftler nachgelegt: „Globale Erwärmung beschleunigt sich“, lautet diesmal die Überschrift des Statements. Auch darin rufen die Autoren zum schnellen Handeln auf – denn das Tempo der Erwärmung habe drastisch angezogen. „Die globale Erwärmung ist in eine Phase der Beschleunigung eingetreten. Bereits um das Jahr 2050 könnte die Erwärmung sogar drei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erreichen“, schreiben DPG und DMG. Es sei zu befürchten, dass „noch vor 2050 in tropischen Regionen erstmals Situationen auftreten, in denen die Kombination aus hoher Luftfeuchtigkeit und extrem hohen Temperaturen ein Überleben im Freien unmöglich machen.“ Auch dürfte der Meeresspiegel künftig schneller steigen als erwartet.
Die Fachgesellschaften stützen sich in ihrer Analyse vorwiegend auf die jüngeren Extreme: 2023 erreichten etwa die Oberflächentemperaturen der Meere ein nie dagewesenes Niveau, auf dem sie seitdem verharren. 2024 war weltweit das heißeste Jahr der Aufzeichnungen, erstmals wurden im Jahresschnitt mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau erreicht. Die dauerhafte Überschreitung dieser Marke hatten Klimaforscher erst für Ende dieses Jahrzehnts erwartet.
Auch die Europäische Umweltagentur mit neuem Bericht: Europa erwärmt sich zweimal schneller als der globale Durchschnitt!
Artenvielfalt, Böden und Wasserressourcen sind in Europa in einem schlechten Zustand, stellt die EU-Umweltagentur (EEA) in ihrem aktuellen Bericht fest. Der aktuelle Bericht sagt, dass 81 Prozent der natürlichen Lebensräume in Europa in schlechtem Zustand sind.
Es gebe zwar einige Fortschritte, erklärt EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall, die Analyse ist für sie aber „ein klarer Aufruf zum Handeln, um die Umweltverschmutzung weiter zu reduzieren, die Natur wiederherzustellen und die biologische Vielfalt zu schützen“.
Alle fünf Jahre legt die EEA den Bericht vor, die Umweltagentur gehört zur Europäischen Union, weitere Mitglieder sind Island, Liechtenstein, Norwegen, die Schweiz und die Türkei. Die Länder des westlichen Balkans wie Albanien oder Serbien kooperieren mit ihr. So kann die EEA auf Daten aus 38 Ländern zugreifen.Das ist nennenswert.
Es gibt laut Bericht der EEA auch positive Nachrichten. Im Vergleich zu 1990 sei der Ausstoß an Treibhausgasen in der EU um gut ein Drittel zurückgegangen, der Anteil der erneuerbaren Energien habe sich seit 2005 verdoppelt. Im Kampf gegen den Klimawandel sei der Staatenbund weltweit führend, heißt es. Zudem werde die Luft immer besser, durch gesetzliche Maßnahmen habe sich vor allem die Feinstaubbelastung verringert. Die Zahl der so ausgelösten vorzeitigen Todesfälle sei seit 2005 um fast die Hälfte zurückgegangen.
Nun ja, es gehört zu den Ergebnissen der Wissenschaft halt auch dazu, dass manche Entwicklungen nicht wie gewünscht verlaufen. Weil die Luft sauberer wird, etwa infolge strengerer Abgasnormen und industrieller Filtertechnik, erhitzt sich die Erde mehr. Viele Rußpartikel haben einen kühlenden Effekt, ihr Wegfall verschärft den Strahlungsantrieb weiter und beschleunigt so indirekt die Erderwärmung. Solche unbequemen Ergebnisse zeigen aber, dass die Wissenschaft ehrlicher ist als die Statements von Trump und Co. Diese sind der wahre Betrug an der Öffentlichkeit!