Wenn Donald Trump vom Obersten Gericht der USA nicht gestoppt wird, dann hat er freie Fahrt zu einer Autokratie. Die Verfahren und Urteile gegen seine Politik häufen sich allerdings. Im Supreme Court, dem Oberstesten Gericht der USA, stehen sechs konservative Richter drei liberalen Richtern gegenüber. Aber heißt dies auch, dass das Gericht immer für Trump und sein Vorgehen stimmt?
Eines muss man Donald Trump lassen: Er zieht sein Wahlprogramm durch, ohne sich dabei darum zu scheren, ob das rechtswidrig ist. Er schickte Soldaten, Bundespolizisten und vermummte Fahnder auf die Straßen von Washington, für Mörder will er dort die Todesstrafe verlangen. Das Verteidigungsministerium heißt ab sofort Kriegsministerium. Dies wiederum nutzte Trump für eine Anspielung auf einen möglichen Militäreinsatz in Chicago, womit er den Bürgermeister und den Gouverneur des umliegenden Bundesstaats Illinois gegen sich aufgebracht hat. Er verbreitete eine mit Künstlicher Intelligenz erstellte Grafik, die die Skyline der demokratisch regierten Millionenstadt zeigt und in Gestaltung und Wortwahl an den in Vietnam spielenden Anti-Kriegsfilm „Apocalypse Now“ erinnert. Dort steht zu lesen: Chicago sei davor herauszufinden, warum das US-Verteidigungsministerium in Kriegsministerium umbenannt wurde. Trump, der sich als junger Mann selbst vor seinem Einsatz in Vietnam gedrückt hatte, schlüpft in der Animation in die Rolle des sadistischen Lieutenant Colonel Bil Kilgore. Dessen in die Filmgeschichte eingegangenes Zitat „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen“ wird von Trump abgeändert in „Ich liebe den Geruch von Abschiebungen am Morgen“. Eine führende Notenbankerin möchte der Präsident außerdem feuern. Die spannende Frage ist: Hält ihn der Oberste Gerichtshof auf?
Denn inzwischen häufen sich Gerichtsurteile gegen Trump und seinen autokratischen Stil des Regierens. Am spannendsten dabei: Ein US-Berufungsgericht hat die meisten der von Trump verhängten Zölle für illegal erklärt. Es hebelte damit ein zentrales wirtschaftspolitisches Instrument von ihm aus. „Das Gesetz räumt dem Präsidenten zwar erhebliche Befugnisse ein, um auf einen ausgerufenen nationalen Notstand zu reagieren“, hieß es in der Urteilsbegründung. „Aber keine dieser Maßnahmen schließt ausdrücklich die Befugnis ein, Zölle, Abgaben oder Ähnliches zu erheben oder die Befugnis, Steuern zu erheben.“ Das Gericht ließ die Zölle bis zum 14. Oktober bestehen, um eine Berufung vor dem Obersten Gerichtshof zu ermöglichen.
Warum sich Urteile gegen Trump nun häufen
Trump hat bei all seinen „Dekret“-Entscheidungen ein immenses Tempo vorgelegt. Die Mühlen der Justiz hingegen arbeiten langsamer. Erst muss es mal Kläger geben, dann braucht jedes Verfahren seine Zeit. Aber inzwischen gibt es einige Urteile gegen Trumps Vorgehen. Neben der Entscheidung gegen seine Zölle hat eine Richterin am Bundesgericht in Washington D.C. die beschleunigten Abschiebeverfahren für Migranten vorerst gestoppt. Das Recht der Betroffenen auf ein ordnungsgemäßes, rechtsstaatliches Verfahren müsse gewährleistet sein, begründete die Richterin Jia Cobb ihre Entscheidung, und gab damit der Klage einer Organisation, die sich für die Rechte von Migranten einsetzt, recht. Die Richterin kritisierte in ihrer Entscheidung das Verfahren der Regierung als „dürftig,“ und verwies auf das in der US-Verfassung verankerte Recht, dass Personen nicht aus den USA abgeschoben werden dürfen, ohne vorher die Möglichkeit gehabt zu haben, gehört zu werden. Dies gelte auch für Menschen, die sich unrechtmäßig im Land aufhalten, heißt es weiter.
Auch im Streit mit der Elite-Universität Harvard über Fördermittel hat die US-Regierung unter Donald Trump eine Niederlage erlitten. Ein Bundesgericht entschied, dass die milliardenschweren Fördermittel nicht einfach hätten eingefroren und entzogen werden dürfen, wie aus einem entsprechenden Gerichtsdokument hervorgeht. Das Geld müsse wieder freigegeben werden. Die US-Regierung hatte mehreren Universitäten eine linksliberale Ausrichtung und unzureichende Maßnahmen gegen Antisemitismus vorgeworfen. Harvard wurden daraufhin Gelder eingefroren und entzogen, die Elite-Uni klagte dagegen. Konkret ging es laut Gerichtsdokument um knapp 2,2 Milliarden US-Dollar (knapp 1,9 Mrd Euro).
Richterin Allison Burroughs stellte zwar fest, dass Harvard tatsächlich mehr gegen Antisemitismus hätte machen können. „Allerdings besteht in Wirklichkeit kaum ein Zusammenhang zwischen den von der Streichung der Fördermittel betroffenen Forschungsprojekten und Antisemitismus“, schrieb sie. Stattdessen handele es sich um einen „gezielten, ideologisch motivierten Angriff auf die führenden Universitäten“ in den Vereinigten Staaten.
Wie sind die Aussichten für Trump vor dem Obersten Gerichtshof?
Im eindeutig wichtigsten juristischen Streit geht es um die Zölle, die Trump erhob. Um seine Zölle durchzusetzen, überging Trump von Januar an den US-Kongress. Dieser hat normalerweise das Recht, Einfuhrabgaben gegen andere Länder zu erlassen. Trump ignorierte das, indem er alle seine Zölle per Dekret anordnete. Er berief sich dabei auf ein Notstandsgesetz von 1977. Dieses erlaubt dem US-Präsidenten, bei einem nationalen Notstand in den internationalen Handel der USA einzugreifen. Trumps Vorgänger George W. Bush setzte das Gesetz ein, um die Vermögen von Terrororganisationen einzufrieren.
Trump nutzte es sehr viel systematischer und sah es als Weg, um schnell und ohne Debatten im Kongress seine Zölle durchzuboxen. Er erklärte den Schmuggel der Droge Fentanyl aus Mexiko und Kanada zu einem nationalen Notstand, genau wie die Tatsache, dass die USA aus vielen Ländern mehr Waren importieren als sie dorthin exportieren. Diese Handelsdefizite bedrohten die nationale Sicherheit und den Wohlstand der USA, behauptete Trump. Die Zölle der USA haben unter Trump historische Dimensionen erreicht. Nach Berechnungen des Yale Budget Labs sind sie so hoch wie zuletzt 1934. Das Berufungsgericht in Washington urteilte nun, dass Trump mit seinen Gegenzöllen zu weit ging. Kein US-Präsident vor ihm habe das Notstandsgesetz jemals für Zölle eingesetzt. Seine Gegenzölle hätten große wirtschaftliche Auswirkungen auf die USA und bedürften einer Genehmigung durch den US-Kongress, schreiben die Richter in ihrer Entscheidung. Sie betonten, dass es zu den „Kernkompetenzen“ des US-Kongresses gehöre, den Handel zu regulieren. Donald Trump meldete sich noch am Freitagabend auf Truth Social und warf dem Gericht vor, parteiisch zu sein. „Wenn die Zölle verschwinden, wäre das ein totales Desaster für unser Land“, schrieb er, es würde „die USA zerstören“. Trump deutete auch an, vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen. Dieser würde dann endgültig entscheiden.
Nun ja, und bisher war es tatsächlich so, dass eben dieser Oberste Gerichtshof immer zugunsten von Trump urteilte. Zuletzt etwa in Bezug auf die Befugnisse der Einwanderungsbehörde ICE. Hier hat der Oberste Gerichtshof den harten Einwanderungskurs von Präsident Trump erneut gestützt. Er gab einem Antrag des Justizministeriums statt und setzte eine richterliche Anordnung für Südkalifornien vorläufig aus. Diese hatte es Beamten der Einwanderungsbehörde ICE untersagt, Menschen ohne hinreichenden Verdacht auf einen illegalen Aufenthalt anzuhalten oder festzunehmen. Die Entscheidung der Vorinstanz verbot es den Beamten, sich dabei unter anderem auf die Hautfarbe, die ethnische Zugehörigkeit oder das Sprechen von Spanisch oder Englisch mit Akzent zu stützen.
Die Zerrissenheit des Obersten Gerichtshofs
Nun ist es ja so, dass drei der sechs konservativen Richter des neunköpfigen Gerichts von Trump ernannt wurden. Doch heißt das, dass diese immer im Sinne Trumps urteilen? Sie sind ja auf Lebenszeit berufen und können nicht von Trump gefeuert werden. Man könnte sogar noch weiter gehen: Wenn die Richter immer den Kurs von Trump stützen, machen sie sich irgendwann als letzte Instanz überflüssig. Doch zuletzt offenbarte sich die Zerrissenheit des Gerichts, als die drei liberalen Richter des Supreme Courts scharfen Widerspruch zur Entscheidung des eigenen Gerichts äußerten. Wenn Trump von diesem Gericht nicht gestoppt wird, dann hat er freie Fahrt zur Autokratie in den USA.