Auf der Automobilmesse IAA stellen die deutschen Autobauer eine neue Generation von E-Autos vor. Die Forderung der deutschen Autobosse nach „mehr Zeit“ ist allerdings kontraproduktiv. Markus Söder hat in seiner populistisch flachen Art gefordert, dass das EU-Ziel, von 2035 an nur noch CO“-neutrale Antriebe zuzulassen, verschoben werden soll. Damit kann Deutschland aber die Konkurrenz nicht überholen.
Vielleicht ist es alles eine Frage des Sounds. Manche gleiten gerne nahezu geräuschlos dahin, wie früher nur die Raumschiffe vom Käpt`n Kirk und Spock mit seinen steilen Ohren. Andere stehen auf das Aufheulen der Motoren, am liebsten, wenn ein Achtzylinder oder gar ein Zwölfzylinder röhrt. Womit wir bei der Automobilmesse IAA wären: Begleitet von ohrenbetäubendem Getöse donnert dort der orangefarbene Mercedes-Sportwagen über eine Rennstrecke – Runde um Runde. Er ist zwar nur auf den wandgroßen Videoleinwänden zu sehen, im Mercedes- Showroom, der in einem der Höfe der Münchner Residenz aufgebaut ist, aber sie haben die Soundanlage gut eingestellt. Unter der Motorhaube des Höllengefährts steckt kein Zwölfzylinder, der mit Benzin betrieben wird. Sondern eine Hochleistungsbatterie samt Elektromotoren. Aber das Dröhnen und Donnern? Künstlich erzeugt, wobei die Ingenieure auf die Soundmaschine fast so stolz sind wie auf die Fahrmaschine. Nun ja, das mit dem Sound ist allerdings auch politisch zu verstehen. Kürzlich eröffnete Bundeskanzler Merz die IAA, doch anders als Gerhard Schröder vor exakt 20 Jahren brachte Friedrich Merz keine Lobeshymnen mit, sondern Durchhalteparolen. Denn Auto-Deutschland präsentiert sich dieser Tage keineswegs als Globalisierungsgewinner, vielmehr droht die Globalisierung die wichtigste Branche des Landes regelrecht zu überrollen.
Doch dabei sind all die Klagen der hiesigen Autoindustrie – vom Sound her – ein bisschen schräg. Die Hölle, die sie beschwören, ist derzeit ja nur das Fegefeuer. Man weiß noch nicht so genau, ob deutsche Autobauer wieder in den Himmel kommen.
Die IAA sprengte diesmal alle Dimensionen. 748 Aussteller aus 37 Ländern waren auf dem Messegelände in Riem und in der Stadt München vor Ort. Die Stadt war schon kurz nach der Eröffnung voll, die teils pompösen Pavillons zogen die Menschen in Scharen an. Auffällig sind die vielen Hersteller aus Asien, die ihre hierzulande bislang nicht allzu populären Marken in Szene setzten. XPENG oder BYD, beides chinesische Hersteller, und etliche andere Marken dürften vielen noch kein Begriff sein. Das könnte sich nach der IAA in München ändern. Denn die Konkurrenz aus China ist längst nicht mehr nur billiger, sondern mit ihrem klaren Fokus auf E-Motoren teilweise auch besser.
Der Schlingerkurs der Politik
Schuld an dieser Misere sind zunächst die deutschen Hersteller selbst, die sich zu lange auf dem Erfolg ihrer Verbrennungsmotoren ausgeruht haben. Schuld ist aber natürlich auch die Politik, die seit Jahren zwischen ambitionierten Klimaschutzzusagen und Anbiederung gegenüber der Branche hin und her laviert. Man kann es beispielsweise so machen, wie Markus Söder es in seiner so populistisch flachen Art gerade wieder getan hat, und das EU-Ziel, in Europa von 2035 nur noch CO2-neutrale Antriebe neu zuzulassen, einfach verschieben. Ein paar Jahre mehr Schonzeit? Das hilft niemandem wirklich. Es ist vielmehr als Botschaft gefährlich. Mag sein, dass es für einige hiesige Hersteller ein letztes wärmendes Strohfeuer wäre. Die Kälte, die danach einsetzte, wäre aber umso schlimmer.
Dabei hat der Markt sein Urteil längst gefällt: In China, dem mit Abstand größten Absatzland der Welt, fährt mittlerweile jedes zweite neu zugelassene Auto elektrisch.
Entsprechend sollte die Bundesregierung die hiesige Industrie mit aller Macht dabei unterstützen, ja sie ohne Kompromisse und dem bisher üblichen Schlingerkurs sogar geradezu dazu drängen, den Umstieg auf die E-Mobilität ohne jeden weiteren Zeitverzug voranzutreiben. Darüber hinaus muss die Politik aber auch selbst tätig werden, etwa um ein flächendeckendes Ladenetz in Europa aufzubauen. Hinzukommen müssen ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien und der Batterieproduktion, um hier nicht von Drittländern wie China oder den USA abhängig zu sein. Auch ein günstiger Auto-Strompreis sowie weitere Anreize für eine vollständige Elektrifizierung der deutschen Dienstwagenflotte könnte helfen, damit ein attraktiver Gebrauchtwagenmarkt entsteht.
Wie sich die deutschen Autobosse äußern – ist das wirklich schlüssig?
Aber der Sound aus den Autoindustrien klingt anders. Auf der Messe in München ist die Rede von „Hoffnungsmobilen“ und „Gamechangern“, die hier ausgestellt seien. Trotzdem würden die Autobosse lieber noch eine gute Zeit lang auf das alte Geschäft mit Verbrennern setzen. „Wir brauchen mehr Flexibilität“, fordert Mercedes-Chef Ola Källenius. „Wir brauchen einen Realitätscheck, wo wir stehen“, mahnt Volkswagen-Chef Oliver Blume. „Das Enddatum braucht eine deutliche Überarbeitung – oder es muss ganz weg“, sagt BMW-Chef Oliver Zipse.
Etliche Argumente bringen die Autochefs vor, eines scheint besonders gewichtig: Die Kunden sind bislang nicht so begeistert von den neuen Antrieben wie erwartet. In Deutschland beispielsweise fährt gerade jeder fünfte Neuwagen rein elektrisch. In vielen europäischen Ländern sind die Quoten noch schlechter, auch weil es an Lademöglichkeiten mangelt. Und in den Firmenzentralen fehlt das Vertrauen, dass die schönen neuen Modelle, die sie da in München gerade vorführen, daran schnell fundamental etwas ändern werden.
Bleibe es nun bei der starren Regel, dass ab dem Jahr 2035 keine Verbrenner in Europa neu zugelassen werden dürfen, dann drohe „eine gefährliche Entwicklung, die genau gegenteilig wirkt“: Kurz vor dem Aus würden sich die Elektroskeptiker unter den Autofahrern noch mit neuen Benzin- und Dieselautos eindecken. Und weil danach alle erst mal versorgt seien, werde es eine Delle in der Nachfrage und damit auch in der Produktion geben, von der sich die Branche erst Jahre später erholen werde. Wenn überhaupt.
Nun ja, diese Argumentation mag schlau sein. Aber sie hat natürlich auch einen kleinen Schönheitsfehler. Schlau daran ist, dass die deutschen Autobauer angeblich gar nicht so sehr auf ihren eigenen Vorteil schauen – wenn sich nämlich tatsächlich kurz vor 2035 alle deutschen Sound-Enthusiasten noch schnell mit einem satten Verbrenner eindecken würden, dann wäre das ja erstmal ein Bombengeschäft für Mercedes, VW, BMW und Co.
Der Schönheitsfehler des Gedankengangs ist der, dass es ja hauptsächlich an den Autobauern selbst liegt, bis 2035 das Vertrauen der Kunden in die neuen Elektro-Antriebe zu gewinnen. Wenn sie das in den nächsten Jahren nicht schaffen, warum soll das dann fünf Jahre später gelingen? Da ist eine gewisse Bräsigkeit im Spiel, die übrigens komplett im Gegensatz zu der – auch öffentlich auf der IAA verkündeten – Philosophie der chinesischen Konzerne steht. BYD (Buy Your Dream)-Vizechefin Stella Li erklärte in München, dass man den Markt in Europa und Deutschland mit einer „Autobahn-Speed“ aufrollen wolle. Dies knüpft daran an, dass deutsche Manager zuletzt immer wieder vom „China-Speed“ in der Entwicklung und Produktion chinesischer Elektro-Autos sprachen, wo BYD übrigens führend ist.
Wenn also der Schnelle den Langsamen fressen will, was soll dann das Argument der deutschen Manager, dass man über 2035 hinaus mehr Zeit brauche?
Die neuen Top-Modelle deutscher Konzerne
BMW, Mercedes und VW präsentieren auf der IAA Mobility 2025 eine neue Generation von E-Autos mit Retro-Design und wegweisender Technik. Der neue BMW iX3 bietet 800 Kilometer Reichweite und dürfte etwa ab 60.000 Euro kosten (allerdings in abgespeckter Version), während der Mercedes GLC 400 4Matic genaum 713 Kilometer schafft (wer hat`s geprüft, wo die 13 Kilometer extra herkommen?), der Preis ist noch nicht bekannt. VW plant mit dem ID. Polo einen Elektro-Kleinwagen für unter 25.000 Euro, der allerdings erst ab 2026 auf den Markt kommt. Technisch und optisch haben also die deutschen Auto-Ingenieure vorgelegt. Die neuen Modelle sind praktisch fahrende Supercomputer, die auch für autonomes Fahren ausgestattet sind. Es ist immerhin mal ein Anfang, Tesla, BYD und Co. nicht hinterher zu hinken.